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Ein Ende des Wartens

Ein Ende des Wartens

Titel: Ein Ende des Wartens
Autoren: Christian Knieps
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Abendluft.
Die Bewegung tat Annika gut; ihr Kreislauf kam wieder in Schwung und sie fühlte sich bereit, weiterzufahren, doch Tammy schlug ihr vor, dass sie weiterfuhr. Auch wenn sich Annika dabei nicht wohlfühlte, die Kontrolle über Marcos Wagen abzugeben, schien ihr das Risiko wohl sehr gering. Sie vereinbarten, dass sie nach der Hälfte der Strecke wieder wechseln würden, und kaum dass Annika auf dem Beifahrersitz mehr lag als saß, fielen ihr die Augen zu und so merkte sie gar nicht, wie Tammy mit dem großen Wagen zu Beginn zu kämpfen hatte, der der erste in dieser Größenordnung war, den sie über eine Straße steuerte.
Doch Tammy gewöhnte sich an das Auto, und Annika wachte erst auf, als Tammy den Wagen in einem großen Abstand zu einer Zapfsäule abstellte. Gegen die Abmachung war Tammy viel mehr Kilometer gefahren, sodass es nur noch weniger als einhundert Kilometer bis nach Hause waren. Doch nun war der Tank leer und als Tammy ausstieg, mühte sich Annika aus dem Liegesitz nach draußen und half ihrer Freundin, den Tankschlauch ans Auto zu ziehen. Auch wenn dieses Unternehmen glückte und sie bald schon den fließenden Kraftstoff im Schlauch vernahmen, rochen beide an ihren Händen den aufdringlichen Dieselgeruch.
    Als sie das Tanken bezahlen gingen, suchten sie sich in der Tankstelle Getränke mit einem hohen Koffeingehalt und fragte den Mitarbeiter der Tankstelle, wo die Toilette sei.
    Da Tammy nicht darauf geachtet hatte, zu welcher Tankstelle sie fuhr, hatte diese noch die alte Art der Toilettenversorgung, aber da die beiden Freundinnen zum einen nicht einsahen, zur nächsten zu fahren, sondern sich hier und jetzt auf die Toilette zu begeben, betraten sie die alte Anlage, legten die Toilettenränder mit Klopapier aus und wuschen sich mehrfach die Hände.
    Nachdem die beiden Freundinnen auch diese Etappe ihres Urlaubs gemeistert hatten, traten sie zurück an die frische Luft und Tammy gähnte so laut, dass Annika sauer war, dass Tammy so viele Kilometer gefahren war.
    Zurück auf der Autobahn blieb Tammy dieses Mal trotz des Gähnens wach, und die beiden Freundinnen unterhielten sich über die zurückliegenden Tage, das Erlebte, über die Arbeit, die sie nächste Woche erwartete und wie Annika die folgenden Tage überstehen würde. Doch Annika war alles andere als geknickt darüber, dass sie wieder arbeiten musste. Die wenigen Stunden an einem anderen Ort hatten ihr die Kraft wiedergegeben, die sie in den letzten Monaten Stück um Stück eingesetzt hatte, um ihr Leben weiterzuleben – ohne sich zu fragen, ob dieses Weiterleben überhaupt der richtige Weg war. Nun aber war sie sich sicher, dass sie den richtigen Weg einschlagen würde, wenn sie nicht schon auf diesen eingeschwenkt war.
    Die letzten Kilometer verflogen aufgrund der Gespräche fast wie im Flug, und schon bald war die Lichter der Großstadt im Vorausblick zu erkennen. Obwohl weit nach Mitternacht, war die Stadt in ein Lichtermeer getaucht, das beinahe dem Sternenhimmel glich, den Annika mit Sören wiederentdeckt hatte. Schweigend fuhren sie in die Stadt hinein, und als sie die ersten Straßen zwischen den Häuserschluchten entlang rollten, wusste Annika zwar, dass sie ein Kind der Großstadt war und dass sie sehr gut mit der Hektik und Betriebsamkeit und dem Wuseln der Menschen klarkam, doch durch den Kurzurlaub hatte sie einen kleinen Teil von sich selbst entdeckt, der dieser Welt zuweilen den Rücken kehren wollte, um andere Dinge und vor allem die Natur zu entdecken.
    Selbst um diese Uhrzeit war auf den Hauptverkehrsstraßen ein Verkehr, der viel stärker war als der gesamte Verkehr an der Küste. Außerdem gab es an jeder Ecke eine Ampel, von denen einige selbst um diese Uhrzeit auf Rot standen.
    Annika lenkte den Wagen bis in den Stadtteil, in dem Tammy wohnte, und als die beiden ausstiegen, sahen sie, dass in Carmens Wohnung noch Licht brannte. Tammys Mutter war sicherlich aufgeblieben, bis ihre Tochter wieder heil zu Hause war, und auch wenn Tammy ihre Freundin fragte, entschied sich Annika dagegen, noch mit hoch zu kommen. Die beiden Freundinnen verabschiedeten sich mit einer innigen Umarmung und leise flüsterten sie ins Ohr des anderen, wie schön das Wochenende gewesen war. Als sie sich voneinander lösten, nahm Tammy ihre Tasche und die Decken aus dem Auto und wartete, bis Annika mit dem Benz aus ihrer Sicht verschwunden war. Ihre Mutter hatte tatsächlich auf sie gewartet und war heilfroh, dass alles gut verlaufen
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