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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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das Bild an, es ekelte sie an, ihr wurde ganz schlecht, trotzdem konnte sie den Blick nicht abwenden.
    Sie hatte eine Folterszene vor sich, die schrecklicher war als alles, was sie sich je hätte vorstellen können. In unerträglichen Qualen verzerrt brach das weiße Gesicht einer Frau aus der Leinwand hervor, es war so realistisch dargestellt, dass man das Kreischen förmlich hörte.
    »Aber ich dachte …« Jules Stimme klang ganz heiser, »ich dachte, sie malt Landschaften! Flüsse, Felder, hübsche Dinge.«
    »Nimm das Licht da weg.«
    Kit schloss die Augen, und als sie sie wieder aufschlug, hatte er den Lichtstrahl gesenkt und das Bild war in Dunkelheit gehüllt.
    »Siehst du es jetzt?«, fragte sie leise. »Kapierst du es langsam?«
    »Das ist Wahnsinn! Wer auch immer das geschaffen hat, ist widerlich … furchtbar!«
    »Thomas Cole war es nicht.«
    »Himmel, nein!« Er war verwirrt. »Aber wer dann? Hast du eine Ahnung? Hat sie es dir erzählt?«
    »Ich habe sie seit Wochen nicht gesehen«, sagte Kit. »Deine Mutter hält sie oben in ihrem Zimmer hinter Schloss und Riegel. Sie weigert sich, mit uns zu reden, wenn wir ihr was durch die Tür zurufen. Hast du das nicht gewusst?«
    »Ich wusste, dass sie den größten Teil ihrer Zeit in ihrem Zimmer sitzt und malt, aber ich dachte …« Jules Stimme versagte. »Stell dir vor, wie das sein muss, ganz allein da oben, wenn man solche Sachen malt? Wenn man den Pinsel hält und so was taucht vor einem auf der Leinwand auf?«
    » Ich kann es mir vorstellen«, sagte Kit. »Sandy auc h. Sobald die Wege in die andere Welt offen sind, hat man keine Kontrolle darüber, wer sie benutzt. Ver stehst du jetzt, warum deine Mutter nicht gewollt hat, dass du zum Empfänger wirst? Du bist ihr Sohn. Keine Mutter würde ihrem eigenen Sohn so etwas antun.«
    »Meiner Mutter ist das nicht klar«, sagte Jules unsicher. »Ich bin sicher, sie weiß nichts davon.«
    »Sie hat die Bilder gesehen. Sie werden hier in ihrem Büro aufbewahrt.«
    »Vielleicht ist das hier neu. Professor Farley könnte es heute erst runtergebracht haben.«
    »Da ist noch ein ganzer Stapel anderer Bilder. Willst du sie dir anschauen und nachsehen?«
    Kit konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie konnte es sich vorstellen, als sie seine Stimme hörte.
    »Nein.«
    »Jules«, sagte sie sanft, »neulich hab ich dich gefragt, was mit den anderen Mädchen passiert ist, die in Europa auf die Schule deiner Mutter gegangen sind. Du konntest es mir nicht sagen. Die Akten sind hier, da, in diesem Blechschrank. Wir müssen ihn nur aufmachen und reinschauen.«
    »Das kann ich nicht«, sagte Jules.
    »Du musst es tun! Das bist du uns schuldig!« Kit berührte seinen Arm. »Bitte, Jules, wir müssen das wissen. Verstehst du denn nicht? Mit uns wird das Gleiche passieren wie mit ihnen! Ist dir das denn ganz egal? Sind wir dir denn gleichgültig?«
    »Natürlich nicht.« Er richtete den Lichtstrahl auf den Aktenschrank, dabei streifte das Licht das Bild, und das gepeinigte Gesicht der Frau tauchte wieder vor ihnen auf. Jedes Detail wirkte so realistisch, dass man Blutflecken auf dem Teppich darunter vermutete.
    Kit schluckte die aufsteigende Übelkeit runter.
    »Okay«, sagte Jules. »Dann schauen wir mal.«
    Gemeinsam gingen sie auf den Schrank zu, Jules hielt immer noch die Taschenlampe. Es waren zwei Schubladen, eine über der anderen.
    Kit ging auf die Knie und zog die obere heraus. Sie öffnete sich leicht und in schwarzes Leder gebundene Ordner kamen zum Vorschein. Dahinter lagen von einem Gummiband zusammengehalten einige eingelöste Schecks und ein Stapel Quittungen.
    Kit sah sie sich nachdenklich an.
    »Ob es wohl Belege über die Summe gibt, die sie für den Vermeer bekommen hat?«
    »Wir schauen uns die Akten der Mädchen an«, sagte Jules. »Damit war ich einverstanden, aber die vertraulichen Unterlagen über die Finanzen bleiben, wo sie sind. Mach die Schublade zu und zieh die darunter raus.«
    »Na gut.« Kit schloss die eine Schublade und zog am Griff der unteren. Die ließ sich nicht so leicht bewegen und knirschte, als ob die Schienen, auf denen sie lief, eingerostet wären.
    »Da sind sie!«, rief Kit aus. Ihr Herz schlug schneller. »Alle Namen, in alphabetischer Reihenfolge. »Anderson, Cynthia. Bonnette, Jeanne. Darcy, Mary. Viele sind es nicht.«
    »Sie hat die Anzahl der Schüler gering gehalten, genau wie hier«, sagte Jules. »Wo willst du anfangen?«
    »Mit der Ersten, würde ich sagen.« Kit griff nach
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