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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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der anderen Seite raus, dann kommen sie rauf in die Hügel und da sehen Sie dann links einen Privatweg, der von der Straße zum Anwesen führt.«
    Er drehte sich um und ging wieder rein. Kit seufzte und lehnte den Kopf wieder an den Sitz.
    »Schatz, bitte.« Ihre Mutter drehte sich um und schaute sie besorgt an. »Gib der Schule doch eine Chance. Die Bilder waren so schön, dieses wunderbare alte Haus und der Teich und die Wälder ringsherum! Madame Duret war so reizend, als wir sie im Frühling kennengelernt haben. Und du warst doch einverstanden, dorthin zu gehen, als wir es dir damals vorgeschlagen haben.«
    »Da dachte ich auch, Tracy würde mitkommen«, sagte Kit. »Ich kapier immer noch nicht, warum ich nicht mit dir und Dan nach Europa kommen kann. Ich mach euch auch keine Umstände. Ich bin sechzehn. Ich kann selber auf mich aufpassen.«
    »Kit, das reicht jetzt.« In Dans Stimme lag eine gewisse Schärfe. »Das haben wir oft genug besprochen. Ich weiß, du bist anders aufgewachsen als die meisten Mädchen, schließlich wart ihr nur zu zweit. Deine Mutter hat dich behandelt wie eine Erwachsene, nicht wie ein Kind. Du bist eigensinnig und unabhängig, und daran gewöhnt zu bestimmen. Aber du wirst nicht mit uns in die Flitterwochen fahren.«
    »Aber ich versteh nicht …«, fing Kit wieder an. Doch Dan fiel ihr ins Wort.« Schluss jetzt. Du machst deine Mutter unglücklich.«
    Er stieg aus dem Auto, füllte den Tank und ging bezahlen. Kit und ihre Mutter saßen schweigend da, bis er wiederkam, einstieg und den Motor anließ. Sie bogen auf die Straße ein, fuhren an der Ladenzeile vorbei und an einer langen Reihe kleiner weißer Häuser. Danach ging es über eine Brücke, die über einen schmalen Fluss führte, dessen Wasser schäumend zwischen grauen Felsen strudelte. Dann lag die Stadt hinter ihnen und die Straße stieg an.
    Felder wichen dem Wald, am Straßenrand standen die Bäume immer dichter. Zweige, die noch nach Sommer dufteten, bildeten ein dichtes, dunkles Dach über dem Asphalt. Wie Wächter , dachte Kit, die das beschützen, was dahinter liegt.
    Sie war in der Stadt aufgewachsen und hatte nie Gelegenheit gehabt, sich mit Bäumen wirklich vertraut zu machen, sie kannte nur die im Park und die kleinen, dünnen, die vor der Stadtbibliothek standen. Wenn man die Blätter genau beobachtete, konnte man den Wechsel der Jahreszeiten verfolgen. Im Frühling waren sie leuchtend hellgrün, im Sommer hingen sie schlaff herunter, dann trockneten sie ein, und wenn im Herbst der Frost kam, fielen sie runter.
    Die Bäume, an denen sie jetzt vorbeifuhren, waren anders, wild und fremdartig, sie schienen ihr eigenes Leben zu führen. Landbäume. Bergbäume.
    • • •
    »Nichts ist schöner im Herbst als die Landschaft nördlich von New York«, hatte Kits Mutter gesagt, als die Broschüre von Blackwood mit der Post gekommen war. »Das scheint die ideale Schule zu sein. Eine kleine Anzahl ausgewählter Schüler, Einzelunterricht in Musik und Kunst und alle möglichen weiterführenden Kurse, die an öffentlichen Schulen nicht angeboten werden. Wenn du deinen Abschluss in Blackwood machst, Kit, müsstest du eigentlich in jedem College des Landes angenommen werden.«
    »Diese Madame Duret hat einen eindrucksvollen Hintergrund«, hatte Dan ergänzt, der das Informationsmaterial eingehend studiert hatte. »Sie war Besitzerin und Schulleiterin einer Mädchenschule in London und davor von einer in Paris. Und in Sachen Kunst ist sie geradezu fantastisch bewandert. Ich erinnere mich, in der Newsweek mal einen Artikel über sie gelesen zu haben. Ein Gemälde, das sie irgendwo bei einer Auktion erstanden hatte, hatte sich als ein authentischer Vermeer erwiesen.«
    »Das würde Tracy interessieren«, hatte Kit gesagt. Ihre beste Freundin, Tracy Rosenblum, brannte für die Kunst.
    »Ich frage mich«, hatte ihre Mutter nachdenklich gesagt, »ob die Rosenblums sich nicht vorstellen könnten, Tracy auch nach Blackwood zu schicken. Leisten können sie es sich bestimmt und ihr beiden wart immer unzertrennlich.«
    »Glaubst du, das würden sie tun?« Plötzlich war Kit ein wenig enthusiastischer geworden. Sie und Tracy waren seit der Grundschule eng befreundet. Wenn Tracy mitkäme, wäre es nicht so schlimm, aufs Internat zu gehen.
    Sechs Wochen lang hatte sie also einfach alles über sich ergehen lassen, alles hingenommen, ohne aufzumucken: die Hochzeit von Dan und ihrer Mutter, den Plan der beiden, die Flitterwochen in Europa zu
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