Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
»Hab ich denn keine Mitbewohnerin?«
    »In Blackwood nicht«, sagte Madame. »Alle unsere Mädchen bewohnen Einzelzimmer mit eigenem Bad. Ich bin der Meinung, Privatsphäre schafft bessere Voraussetzungen fürs Lernen. Würdest du mir da nicht recht geben?«
    »Kann schon sein«, sagte Kit. Sie dachte daran, dass sie und Tracy vorgehabt hatten, sich ein Zimmer zu teilen. Sicherlich war etwas dran, dass sie mehr geredet als gelernt hätten, aber es hätte Spaß gemacht.
    »Hallo, ist da jemand?«, rief Dan von der Treppe her. »Ich hab hier ein paar Taschen, die offenbar mit Ziegelsteinen gefüllt sind. Wo soll ich sie abstellen?«
    »Hier entlang, bitte«, rief Kits Mutter. »Komm her und sieh dir Kits Zimmer an. Du wirst es nicht glauben!«
    »Wow!« Dan erschien in der Tür, einen Koffer in jeder Hand. »Das sieht ja eher aus wie ein Palast als eine Schule. Hier wirst du es nicht schaffen, deine Sachen überall im Zimmer zu verstreuen, Kit.«
    »Wir vertrauen darauf, dass unsere Mädchen ihre Zimmer in Ordnung halten«, sagte Madame Duret liebenswürdig. »Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich muss nach unten in die Küche gehen und mit dem Personal über das Abendessen sprechen. Wir essen nie spät zu Abend, Kathryn, denn das Mädchen, das für uns kocht, lebt im Dorf und muss jeden Abend nach Hause fahren. Das Essen wird um halb sieben im Esszimmer serviert.«
    »Okay«, sagte Kit. »Danke.«
    »Vielen Dank, Madame Duret«, sagte Kits Mutter. »Wir schauen zu Ihnen herein und verabschieden uns, bevor wir abfahren.«
    Sie blieben alle drei still stehen und lauschten den schnellen, energischen Schritten der Direktorin, die den Flur entlang eilte.
    »Was für eine Frau«, sagte Dan leise. »Man muss sich mal vorstellen, was das für eine Arbeit gewesen sein muss, diesen alten Kasten in eine moderne Schule zu verwandeln.«
    »Ich bin wirklich beeindruckt.« Kits Mutter drehte sich zu ihr um. »Schatz …« Und dann zog sie ihre Tochter plötzlich an sich und Kit konnte etwas Flehendes in ihrer Stimme hören. »Kit, mein Liebes, du wirst hier doch glücklich sein, oder? Ich würde unsere Reise nicht einen Moment lang genießen, wenn das nicht so wäre. Wir können uns sonst was anderes überlegen, auch wenn das bedeuten würde, dass wir später zu unserer Kreuzfahrt aufbrechen. Das Wichtigste ist, dass du glücklich bist.«
    In diesem Augenblick spürte Kit, wie der Unmut von ihr abfiel. Sie hatte gewonnen und sie brachte es nicht fertig, Vorteile daraus zu ziehen. Also nahm sie ihre Mutter in die Arme und drückte sie liebevoll.
    »Aber natürlich gefällt es mir hier«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ihr sollt eine schöne Hochzeitsreise haben, du und Dan. Das hast du wirklich verdient, Mom. Tut mir leid, dass ich so nervig war. Ich werde hier glücklich sein, das verspreche ich.«
    Doch im Hinterkopf wollte ihr eine Frage keine Ruhe lassen. Die ließ Kit jetzt allerdings unter den Tisch fallen und in Vergessenheit geraten. War ja auch egal. Eigentlich war es ja auch nicht so wichtig zu wissen, warum die Tür zu ihrem Zimmer in Blackwood zwar außen ein Schloss hatte – auf der Innenseite jedoch keines.

DREI
    Das Bett war groß und schön, allerdings nicht besonders bequem. Kit legte sich auf der Samtdecke zurück und starrte hoch in den dunkelroten Himmel. Irgendjemand … war es Poe gewesen? … hatte mal eine Geschichte über genau so ein Bett geschrieben, dessen Himmel sich bei Nacht langsam senkte, um den Menschen zu zerquetschen, der das Pech hatte, darunter zu schlafen. Letztes Jahr hatten sie die Geschichte im Literaturunterricht gelesen und gekreischt vor Lachen, weil das so unglaublich war. Jetzt kam ihr diese Geschichte längst nicht mehr so komisch vor.
    Baldachine mag ich nicht , stellte Kit fest, und harte Matratzen auch nicht. Aber Blackwood werde ich mögen, und wenn es mich umbringt. Ich hab es Mom versprochen.
    Ihre Mutter und Dan waren jetzt schon über eine Stunde weg, und sie hatte immer noch nicht angefangen, ihre Koffer auszupacken. Sie war aufs Bett geklettert, eigentlich nur um zu testen, wie sich das anfühlte, und dann war sie liegen geblieben, hatte den Baldachin angestarrt und nachgedacht.
    Sie war eine echte Nervensäge gewesen in den letzten Wochen. Jetzt konnte sie das zugeben – und sie schämte sich dafür. Seit dem Tod von Kits Vater hatte ihre Mutter genug harte Zeiten und Einsamkeit durchlebt, sie verdiente wirklich jedes Glück der Welt. Dan mochte zwar nicht der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher