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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund.
Autoren: Tom Sharpe
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das mit dem Geld verstehe ich immer noch nicht«, bohrte er nach, als das Frettchen ins Loch flitzte. »Wozu ist Geld da?«
    Bletchley Bright hatte einen Moment lang seine Glupschaugen von der unnatürlichen Welt des Kaninchengeheges abgewandt und kurz seinen Sohn gemustert, ehe er sich wieder wichtigeren Dingen wie beispielsweise sterbenden Kaninchen zuwandte. Er wußte nicht recht, was er von Timothys Frage halten sollte.
    »Wofür ist Geld da?« wiederholte er unsicher, doch Old Og nahm ihm die Antwort ab.
    »Um’s auszugeben, Master Timothy«, sagte er mit hämischem Kichern, das ihm, genau wie seine archaischrustikale Sprache, viel Übung abverlangt hatte. »Wird von den’ ausgegeben, die’s ham, und von den’ geklaut, die’s nich ham.«
    »Tja, so kann man es vermutlich auch sehen«, sagte Bletchley zögernd. Sein einziges öffentliches Amt war das eines Friedensrichters in Voleney Hatch. Das Gespräch wurde von dem jungen Frettchen unterbrochen, das mit blutigem Maul wieder auftauchte.
    »Is’n liebes Kerlchen, was?« sagte Old Og liebevoll und wurde für diesen Irrtum prompt in den Daumen gebissen. Er unterdrückte den Drang, etwas Angemesseneres als »Herrgottchennochmal« zu sagen, stopfte das Tier in seine Jackentasche und verschwand, um sich im Dorf etwas Verbandszeug zu besorgen, woraufhin Vater und Sohn zum Tee nach Hause spazierten.
    »Sieh mal, mein Sohn«, sagte Bletchley, als sie zweihundert Meter weit gegangen waren und er Zeit gehabt hatte, seine Gedanken zu ordnen. »Geld ist ...« Er hielt inne und suchte in einer schlammigen Pfütze nach Inspiration. »Geld ist ... nun, ich weiß nicht recht, wie ich’s formulieren soll, aber Geld ist ... Grundgütiger, ich glaube, ich hab da drüben am Wald eben eine Schleiereule gesichtet. Es wäre doch großartig, eine Schleiereule zu sehen, nicht wahr, Timothy?«
    »Aber ich will wissen, wo Geld herkommt«, sagte Timothy, der sich von einer einfachen Taube nicht so leicht aus dem Konzept bringen ließ.
    »Ah ja, wo es herkommt«, wiederholte Bletchley. »Ich weiß, wo es herkommt. Es kommt natürlich von anderen Leuten, die es bezahlen.«
    »Was für andere Leute, Daddy? Leute wie Old Og?« Bletchley schüttelte den Kopf. »Ich glaube kaum, daß Old Og besonders viel Geld hat«, sagte er. »So ist das eben, wenn man Gelegenheitsarbeiten und dergleichen verrichtet. Natürlich ist er ausgesprochen glücklich. Man muß kein Geld haben, um glücklich zu sein. Das hat man dir doch gewiß in der Schule beigebracht.«
    »Mr. Habback verdient einundneunzig Pfund die Woche«, sagte Timothy. »Scobey hat seine Gehaltsabrechnung auf dem Pult liegen sehen und sagt, das ist nicht sehr viel.«
    »Na ja, man kann damit keine großen Sprünge machen«, gab sein Vater zu. »Andererseits haben Lehrer freie Kost und Logis, und das ist ja auch schon einiges.«
    »Aber wie komme ich zu Geld?« Timothy ließ nicht locker. »Ich will nicht wie Mr. Habback sein.« Bletchley Bright hatte mürrisch die bleiche Winterlandschaft betrachtet und endlich enthüllt, was offensichtlich das Familiengeheimnis war. »Du bekommst Geld, indem du ein Name wirst«, sagte er schließlich. »Das geschieht an deinem einundzwanzigsten Geburtstag. Ich würde es sehr begrüßen, wenn du das Thema Geld bis zu diesem Zeitpunkt nie wieder erwähnst. Es ziemt sich nicht für einen Bright deines Alters.«
    Von diesem Augenblick an war Timothy sicher gewesen, daß er ein Vermögen machen werde, weil er Timothy Bright war und dank seines Namens Anspruch darauf hatte. Und aufgrund dieser Tatsache mußte er sich nicht allzusehr den Kopf darüber zerbrechen, wie er es anstellen wollte. Das würde sich später von ganz allein ergeben, wenn er einundzwanzig und ein Name geworden war. In der Zwischenzeit mußte er einige Pubertätsprobleme bewältigen – oder genießen. Nachdem er dank Old Og eine Vorliebe für Hetzjagden entwickelt hatte, durchlitt er in »seinem sechzehnten Jahr zum Himmel«, wie es der Schulkaplan Benedict de Cheyne in einem erläuternden Brief an Timothys Eltern nannte, eine vorübergehende religiöse Krise.
    »Wir erleben es häufig, daß sensible Knaben zu derartigen Phantasien neigen«, schrieb dieser, nachdem ihm Timothy während eines längeren Gesprächs unter vier Augen sein Herz ausgeschüttet hatte. »Ich kann Ihnen jedoch versichern, daß der Drang zu übertriebener Frömmigkeit meist recht schnell wieder verfliegt, sobald das anfängliche sündige Gefühl vergeht.
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