Ein Dicker Hund.
bekommen und so lange behalten zu haben. Nach diesem anhaltenden Selbstmitleid schmiedete er diffuse Rachepläne. Wenn die Familie ihm jede Hilfe verweigerte, warum sollte er irgend etwas für sie tun? Von da ab lag der Einfall nicht mehr fern, sich selbst zu nehmen, was ihm die Familie schuldete. Schwierig wäre es nicht. Die eklige alte Tante Boskie, die so um die neunzig war, hatte ihm, als sie letztes Jahr im Krankenhaus lag, die Vollmacht ausgestellt, einige Aktien zu verkaufen, und die hatte sie nie widerrufen. Außerdem war sie gesundheitlich nicht auf dem Damm und würde gar nichts merken. Es würde ihr nicht auffallen, wenn noch ein paar Aktien fehlten. Die Hälfte davon warf sowieso keine große Dividende ab. Warum eigentlich sollte er sie nicht nehmen? Zumal wenn sie ihn vor Schweinehack bewahrten. Tantchen Boskie würde ihm die Aktien gewiß schenken, wenn sie von Schweinehack wüßte, oder etwa nicht? Für Timothy stand das sozusagen außer Frage. Ganz gewiß würde sie, das wußte er. Nachdem Timothy Bright seine kaum vorhandenen Skrupel überwunden hatte, verkaufte er erst ihre Aktien, dann noch einige von Onkel Baxter, und hatte schließlich über hundertzwanzigtausend Pfund Bargeld dabei, als er London verließ. Natürlich würde er alles mit Zinsen zurückzahlen, sobald seine derzeitige Notlage überwunden war. In der Zwischenzeit hatte er einen Notgroschen, auf den er zurückgreifen konnte, falls etwas wirklich schieflief. Mit dieser hübschen Idee im Hinterkopf und dem seltsamen braunen Päckchen von Mr. Smith in einer seiner Satteltaschen machte er sich auf nach Cornwall.
Als er dort ankam, saßen Victor Gould und sein Neffe Henry draußen auf dem Rasen und schlürften in der Abendsonne ihre Drinks.
Timothy Bright war betrübt. Mit Henry hatte er nicht gerechnet. Er hatte gehört, daß Tante Brenda in Amerika war, und angenommen, Onkel Victor wäre allein. Bei den Brights galt Onkel Victor als bärbeißiger alter Geselle, der bei keinem, den Timothy kannte, übermäßig beliebt war, und Timothy wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß er ein eigenes Privatleben hatte. Wenn Timothy mal in Pud End gewesen war, um Tante Brenda zu besuchen, hatte Onkel Victor immer in seinem Sommerhaus gehockt oder im Garten herumgewerkelt, war ihm jedenfalls wie eine Art Anhängsel seiner Tante vorgekommen, das Botengänge machte, die Einkäufe für sie erledigte und gelegentlich mal mit seinem Schlauchboot rausfuhr oder angelte oder dergleichen. Das war schließlich ein Hauptgrund gewesen, weshalb Timothy sich Pud End als Aufenthaltsort ausgesucht hatte. Er konnte ziemlich sicher sein, daß kein Mitglied der Familie Bright während Tante Brendas Abwesenheit dorthin kommen würde, und da Onkel Victor mit den anderen Brights nie etwas zu tun hatte, würden diese nie erfahren, wo sich Timothy aufhielt oder was er machte. Und jetzt kam ihm Henry dazwischen. Timothy stieg von seinem Motorrad und nahm den Helm ab.
»Ihr braucht nicht aufzustehen«, sagte er. »Ich hol mir ein Glas und setze mich zu euch. Ich schätze, ich weiß, wo alles ist.« Dann ging er schwungvoll ins Haus. »Siehst du jetzt, was ich meine?« sagte Victor. »Er ist absolut unerträglich.«
»Warum läßt du dir es dann gefallen?« fragte Henry. »Sag ihm, er soll Leine ziehen.«
Victor Gould lächelte verbittert. »Mein lieber Junge, ich stelle fest, daß du keinen Begriff von den Komplikationen und Kompromissen hast, die eine Ehe für den Mann zwangsläufig mit sich bringt. Die Familienbindungen deiner Tante sind stärker, als ... tja ... als alles außer einer Art Mutterinstinkt. Ich könnte diesen Flegel genausowenig rausschmeißen und danach glücklich und zufrieden mit deiner lieben Tante weiterleben, wie ein Flußpferd in einem Schlammloch mit den Ohren wedeln und davonfliegen könnte. Ich bin dazu verdammt, dieses Monstrum zu ertragen. Wollen wir hoffen, daß er morgen wieder abreist.« Doch Timothy, der mit einem Glas von Victors bestem Malt- Whisky ins Freie trat, beraubte ihn bald dieser Hoffnung. »Es hieß, du wärst allein, Victor«, sagte er. »Dachte, ich komm mal runter und muntere dich auf. Unser Onkel Victor ist ein mißmutiger alter Bursche.«
»Stimmt auffallend«, sagte Victor. »Wirklich sehr mißmutig.«
»Ich wußte gar nicht, daß du Motorrad fährst«, sagte Henry nach einer kurzen, peinlichen Stille, die Timothy nicht aufgefallen war.
»Aber ja, macht mächtig viel Spaß. Heutzutage einfach das einzig mögliche
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