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Ein delikater Liebesbrief

Ein delikater Liebesbrief

Titel: Ein delikater Liebesbrief
Autoren: Eloisa James
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musst das Leben sein, wenn man mit einem Körper geboren wurde, der von den schlanken Beinen bis zu den langen Augenwimpern vollkommen war.
    Plötzlich wurde sie sich ihrer aufgelösten Haare und der Flecken auf ihrem Kleid bewusst. Vermutlich hatte sie niemals im Leben erbärmlicher ausgesehen. Doch das Kind, das sie immer noch auf dem Arm hielt, erinnerte sie daran, was in diesem Moment wirklich wichtig war. Dieser Mann war ein gleichgültiger Vater, der seine Kinder vernachlässigte, und es war ihre Aufgabe, ihm seine Fehler vor Augen zu führen. Zum Glück hatte Henrietta, seit sie die Dorfschule eröffnet hatte, jedes Buch bestellt, das zu Fragen der Kindererziehung erhältlich war.
    »Ein Schankmädchen ist nicht die richtige Lösung«, begann sie. »Sie müssen eine anständige Person finden, die sich zuverlässig um Ihre Kinder kümmert.«
    Er wandte sich wieder ihr zu. »Entschuldigen Sie bitte. Haben Sie etwas gesagt?«
    »Sie scheinen Ihre Kinder bereitwilligst jeder Frau zu übergeben, die das Zimmer betritt. Vielleicht ist dieses Schankmädchen ebenso fahrlässig wie Ihr voriges Mädchen. Haben Sie gewusst, dass diese Frau die kleine Anabel gezwungen hat, ihre nassen Kleider zu tragen, weil sie die völlig irrige Ansicht hegte, ihr damit das Spucken auszutreiben? Haben Sie das überhaupt gewusst, Sir?«
    Er blinzelte sie so verblüfft an, als hätte ein Baum angefangen zu singen. »Nein, das habe ich nicht. Und ich stimme Ihnen zu, dass dies vermutlich nicht die richtige Kur für das Problem ist.«
    »Kinder sollten allzeit gütig behandelt werden«, zitierte Henrietta ihren Lieblingsgrundsatz aus Richtlinien und Anleitungen für die Gesundheit und Erziehung von Kindern . »Der bekannte Kindererziehungsexperte Mr Batt sagt, dass …«
    Doch es war offenkundig, dass Mr Darby sich wenig für Mr Batt interessierte. »Josie, lehn dich bitte nicht an mein Bein. Ich würde mich sehr ärgern, wenn dein schmutziger Zustand auf meine Hose abfärben sollte.«
    Henrietta meinte, in Josies Augen ein schelmisch-teuflisches Funkeln zu erkennen. Und dann begann das kleine Mädchen in aller Seelenruhe, seine Wange an der blassgelben Hose des Vaters zu reiben.
    Darby reagierte, wie man es hätte voraussehen können. »Josephine Darby, hör sofort damit auf!«
    Henrietta schüttelte innerlich den Kopf. Mr Batt empfahl, Kinder respektvoll zu behandeln. Sie in harschem Ton zu schelten, machte sie lediglich störrisch. Josie erwies sich als bestes Beispiel für Batts Theorie. Es war deutlich zu erkennen, dass sie schon des Öfteren barsch verwarnt worden war, denn folgerichtig hatte sie sich zu einer, wenn auch sehr kleinen Widerspenstigen entwickelt.
    Sie baute sich vor ihrem Vater auf, stemmte die Hände in die Hüften und schaute so grimmig drein wie ein General bei einer Truppenparade. »Du bist laut geworden!«
    »Und das werde ich wieder tun, wenn du so ungehorsam bist.«
    »Du darfst mich nicht anschreien. Ich bin ein kleines Mädchen, das seine Mutter verloren hat!«
    »Ach, du meine Güte, fang nicht schon wieder mit diesem Mumpitz an«, entgegnete Darby herzlos. »Ich kenne deinen mutterlosen Zustand nur allzu gut. Wenn du nicht die Luft anhältst, übergebe ich dich wirklich dem Schankmädchen!«
    Herzlos! Er war vollkommen herzlos, fand Henrietta. Und Josie musste wohl auch dieser Meinung sein, denn sie ließ sich zu Boden fallen, trat um sich und brüllte laut und immer lauter.
    Mr Darby wirkte gequält, doch keineswegs überrascht. Und vor allem machte er keinerlei Anstalten einzugreifen.
    »Tun Sie doch etwas!«, zischte Henrietta.
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Dachten Sie da an etwas Bestimmtes?« Dies sagte er ziemlich laut, um Josies Geschrei zu übertönen.
    »Heben Sie sie auf!«
    »Wozu sollte das wohl gut sein? Sie hat einen hysterischen Anfall. Haben Sie sich nicht gefragt, warum ihr Kindermädchen abgereist ist? Das hier ist vermutlich der vierzehnte Anfall, seit wir London vor drei Tagen verließen.«
    Henrietta verspürte einen stechenden Schmerz in ihrem rechten Bein. Sie schwankte unter Anabels Gewicht. Ihre Hüfte vermochte das Kind nicht mehr zu stemmen. »Da – bitte!« Damit legte sie das Kind dem Vater in die Arme.
    Ein fast komischer Ausdruck der Überraschung glitt über sein Gesicht. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob dies womöglich das erste Mal war, dass er sein eigenes Kind auf dem Arm trug.
    »Also«, sagte Henrietta. Josies Geschrei versetzte sie in einen Zustand
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