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Ein delikater Liebesbrief

Ein delikater Liebesbrief

Titel: Ein delikater Liebesbrief
Autoren: Eloisa James
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tätschelte Henriettas Wange mit ihrem Patschhändchen und fragte: »Mama?«
    Henriettas Herz krampfte sich vor Rührung und – leider auch – Neid schmerzhaft zusammen. »Meine Güte«, stieß sie hervor. »Du bist aber ein kleiner Schatz.«
    »Das Kindermädchen sagt immer, sie ist schrecklich kokett«, sagte Josie und dämpfte damit ein wenig die rührselige Stimmung.
    »Tja«, sagte Henrietta und hatte einige Mühe, mit dem Kind in den Armen aufzustehen. »Da muss ich eurem Kindermädchen wohl zustimmen. Anabel kommt mir fast zu freundlich vor, wenn man bedenkt, dass sie mich gerade erst kennengelernt hat. Eine etwas ältere junge Dame würde sich schicklicher benehmen, nicht wahr?« Sie lächelte zu Josie hinunter und ging langsam und vorsichtig auf die Goldene Hirschkuh zu, wobei sie betete, dass ihre schwache Hüfte das Gewicht aushalten möge. Anabel war nämlich um einiges schwerer, als sie gedacht hatte.
    »Anabel macht viele Sachen, die ich nie machen würde«, bemerkte Josie.
    »Ja, das kann ich mir vorstellen«, gab Henrietta zurück. Vorsichtig schritt sie über das holperige Straßenpflaster. Es wäre zu schrecklich, wenn sie stolperte und das Kind fallen ließe.
    »Ich spucke zum Beispiel nie.«
    »Natürlich nicht.« Vor ihnen lag eine große, unebene vereiste Stelle. Henrietta packte Anabel fester.
    »Einmal hab ich allerdings nach dem Abendessen gespuckt. Das war letztes Jahr Ostern und Miss Peeves meinte, das käme daher, weil ich zu viele kandierte Pflaumen gegessen hätte. Aber das ist Quatsch, denn ich hab bloß sieben gegessen. Ich meine, sieben sind doch wohl nicht zu viel, oder?«
    »Aber überhaupt nicht.«
    »Anabel dagegen kann …«
    Doch lediglich einen Moment später wurde Anabels Neigung zum Erbrechen offensichtlich. Henrietta hatte die eisüberzogenen Pflastersteine bewältigt und hielt kurz an, um einen Vierspänner passieren zu lassen, bevor sie die Straße zur Goldenen Hirschkuh überquerte, als Anabel kurz und trocken hustete.
    »Achtung!«, schrie Josie und klammerte sich an Henriettas Rock.
    Henrietta warf einen verwirrten Blick auf das Mädchen. »Es geht schon«, sagte sie.
    Im selben Augenblick erbrach sich Anabel auf Henriettas Rücken. Eine warme, nein, heiße Flüssigkeit lief ihren Rücken hinunter und wurde sofort von ihrem Kleid aufgesogen. Eine Sekunde später fühlte es sich feuchtkalt und klamm an.
    Instinktiv hob Henrietta Anabel von ihrer Schulter und hielt sie mit ausgestreckten Armen von sich. Das war jedoch ein schwerer Fehler, denn Anabels Bäuchlein war noch nicht leer. Ein Schwall leicht geronnener Milch traf Henriettas Brust und tropfte an ihrem Kleid herab. Sie erschauderte, schaffte es aber, die Kleine festzuhalten.
    Vage wurde sie sich bewusst, dass Josie etwas rief. Anabel verzog das kleine Gesichtchen und begann zu weinen.
    »Oh, mein Kleines«, tröstete Henrietta sie, drückte die Kleine instinktiv an ihr feuchtes Kleid und ihr Köpfchen an ihre Schulter. »Ist ja gut. Nicht weinen. Tut dein Bäuchlein weh? Weine nicht, ach, weine doch nicht.«
    Sie tätschelte Anabels Rücken, bis die Kleine zu heulen aufhörte und ihr Köpfchen auf Henriettas Schulter sinken ließ.
    Henriettas Herz verging vor Sehnsucht, während sie auf den kleinen kahlen Kopf schaute, auf den Rand des rosigen Ohres.
    Ich muss unbedingt etwas unternehmen, ermahntesiesich . Wenn meine Sehnsucht nach einem Kind so groß ist, dass ich sogar dieses Geschöpf vergöttere, obwohl es sich auf mein bestes Ausgehkleid erbricht, dann stehe ich wirklich kurz davor, verrückt zu werden.
    Josie hüpfte wie eine Verrückte vor ihr auf und nieder. »Es tut ihr leid!«, rief sie aufgeregt mit schriller Stimme. »Es tut ihr leid, es tut ihr leid!«
    »Mir auch«, gab Henrietta grinsend zurück. »Es ist wirklich praktisch, dass ich nicht aus Zucker bin und deshalb nicht schmelzen werde.«
    Die Besorgnis, die auf Josies kleinem Gesicht stand, legte sich ein wenig. »Sie hat Ihr schönes Kleid schmutzig gemacht«, stellte sie fest, trat näher und berührte Henriettas blassgelbes Ausgehkleid. »Unser Kindermädchen meint, Anabel wäre eigentlich zu alt für so etwas. Immerhin ist sie fast ein Jahr und trinkt aus einer Tasse. Aber sie scheint nicht damit aufhören zu können. Ich glaube, sie weiß nicht, wie.«
    »Da hast du wohl recht«, erwiderte Henrietta und drückte das feuchte Bündel fester an sich. »Vielleicht sollten wir schnellstens euer Kindermädchen suchen, damit Anabel etwas Frisches
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