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Ein cooler Typ aus der Hölle

Ein cooler Typ aus der Hölle

Titel: Ein cooler Typ aus der Hölle
Autoren: Stefan Wolf
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Wenigstens
für heute Nacht. Sicherheit! Auch für den schlimmsten Fall. Nein, es wird nicht
schlimm. Wenn Martin mich findet, habe ich nichts zu befürchten. Aber... ja, er
würde meine Eltern verständigen. Pflichtbewusst. Nein, finden darf er mich
nicht.
    Sie wusste nicht, ob sie
geflüstert hatte. Ihre Lippen waren trocken und rissig.
    Niemand war in der Nähe, weit
und breit kein nässetriefender Mantel, kein Hut mit Schneeauflage, kein Hund,
der sein gassigehendes Herrchen für einen hirnweichen Trottel hielt.
    Katja lief an dem Schuppen
entlang. Eine breite Tür. Doch davor hing ein Schloss am Riegel, o weh! Dann,
auf der Rückseite des längeren Traktes und abgewandt von der Straße, sah sie
ein spaltweit geöffnetes Fenster. Sie schob es auf, spähte und schnupperte in
die Finsternis. Die roch angenehm nach Holz, Gras, frischer Erde und Öl.
    Katja holte ihre winzige
Spotlight-Taschenlampe hervor und leuchtete ins Innere des Schuppens.
    Geräte! Pflanzholz, Spaten,
Gartenbesen, Rechen, Baumschere, Rindenkratzer, Rasenlüfter, Heckenschere,
Motorhacke, elektrischer Rasenmäher und Motormäher mit Grasfangkorb,
Schubkarre... Katja kannte fast jedes Gerät. Sie gärtnerte selbst. Zu ihrem
Traum vom späteren Leben gehörte ein riesiger Garten — nein, Park, in dem sie
pflanzen und anbauen konnte, wonach ihr der Sinn stand: Rosen und Bio-Gemüse,
Golfrasen und japanische Ziersträucher. Jetzt trug der Anblick der Geräte etwas
zu ihrer, Katjas, Beruhigung bei.

    Das Fenster war schmal. Selbst
das zierliche Mädchen passte nur ohne Rucksack hindurch. Den hob sie hinein und
ließ ihn auf einen Stapel leerer Säcke fallen.
    Als sie hinein kletterte, stieß
sie einen Gartenbesen um, der innen neben dem Fenster — stiel-abwärts — an der
Wand lehnte. Die langen Blechzinken schlugen auf den Steinboden. Das klang wie
der Jazzbesen des Schlagzeugers — zischelnd, metallisch; schäumende Gischt am
Strand, vom Wind angemacht.
    Sonst liebte Katja den Klang,
aber jetzt schrak sie zusammen. In der Stille des Abends war der federnde Ton
weit zu hören.
    Das Mädchen stand auf den
leeren Säcken, eine Hand noch am Fensterrahmen, verharrte und horchte mit
klopfendem Herzen.
    Nein, niemand hatte sie gehört.
    Sie stellte den Gartenbesen
wieder neben das Fenster — so wie er gestanden hatte. Das musste sie tun, um
keine Spuren zu hinterlassen. Trotzdem ein Fehler, ein — Verhängnis, wie sich
bald erweisen würde.
    Abermals schaltete Katja ihre
Lampe ein und inspizierte den Schuppen auf der Suche nach einem halbwegs
gemütlichen Platz für die Nacht. Eine Ecke an der rückseitigen Wand bot sich
an. Dort hatte Martin Mcfish grüne Matten gestapelt, die wie künstlicher Rasen
aussahen und das auch darstellten: Rasen aus Plastik zum Verdecken hässlicher
Kellerfenster-Siebe an Terrassen, die sommers makellos grün erscheinen sollen.
Der Stapel war kniehoch und lud ein als Doppelbett.
    Katja holte sich saubere Säcke
zum Zudecken, nahm den Rucksack als Kopfkissen und versuchte, sich
einzumummeln. Aber die Kälte kroch heran. Also noch mehr Säcke als Federbett
und dazu zwei Lagen Plastikrasen. Die Steppjacke war leider nass und hing zum
Trocknen an dem Fenstergriff gleich oberhalb der Lagerstatt. Draußen fauchte
wieder der Wind. Am Fenster hatte sich der Rahmen verzogen. Ein Spalt ließ
Geräusche und Kälte herein.
    Katja dachte an Volker. Und an
Luna, ihren Hund. Seit zwei Jahren war die weiße Schäferhündin ihr Ein und
Alles: Tierkameradin, Begleiterin, Zimmergefährtin, Objekt der Pflege und
Fürsorge. Luna, jetzt dreieinhalb Jahre alt, gehörte zu den AC Shepherds, einer
kanadischen Züchtung: ein Bild von einem Hund mit Eisbärfell, braunen Augen und
mehr Verstand als ein dummer Mensch aufweisen kann. Tierschützer hatten die
Hündin aus asozialem Milieu befreit, wo ihr Leben erbärmlich und kurz gewesen
wäre, und — durch Vermittlung von Gaby Glockner — Katja übergeben.
    Ich komme ja wieder zu dir,
dachte sie. Volker kümmert sich jetzt um dich. Den liebst du doch auch.
Irgendwann bin ich zurück. Vielleicht wird alles gut...
    Sie war erschöpft. Die Droge
Angst peitscht nur kurze Zeit auf, hat dann alle Kräfte des Opfers verzehrt und
lässt es fallen in abgrundtiefe Müdigkeit.
    Halbschlaf. Männerstimmen in
Katjas Kopf. Leise Stimmen. Die Worte drangen nur allmählich in ihr
schwindendes Bewusstsein.
    „...idealer Platz“, sagte dumpf
der eine. „Trocken unterm Autodach. Und dunkel. Aber wir sehen
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