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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten
Autoren: Leo Malet
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sowieso recht seltsam im Kopf. Von Zeit zu Zeit zog ich an meiner Pfeife.
Der Tabak schmeckte immer noch komisch. Kam wahrscheinlich von den
Kopfschmerzen. Aber verdammt nochmal! Ich kannte mich doch mit Kopfschmerzen
aus... So eigenartig hatte mir meine Pfeife noch nie geschmeckt. Die machen mit
dem Tabak wirklich, was sie wollen. Oder... Ich konnte mich nicht erinnern, die
Pfeife selbst gestopft zu haben. Zenana hatte mich
bedient. Sehr freundlich von ihm. Freundlich, ja... Haschisch !, schoß es mir durch den Kopf. Das Kraut hatte bei jedem ‘ne andere Wirkung.
Manche sind ganz benommen, stieren blöde vor sich hin; andere geraten ganz aus
dem Häuschen, begeistern sich und sehen plötzlich ganz klar. Vielleicht gehörte Zenana zur ersten Sorte, und er wollte mich mit dem
Zeug müde werden lassen. Aber ich redete und redete, entwickelte ihnen meine
Theorie, mit der ich vorher Hélène die Ohren vollgequatscht hatte. Als Zugabe
erzählte ich noch all das, was meine Sekretärin nicht mehr hatte hören
wollen...
    „Schnauze!“ schnauzte die
arabische Brillenschlange.
    Er hatte offensichtlich die
Schnauze voll von meinem Gefasel.
    „Halt endlich die Klappe!
Wir...“
    Weiter kam er nicht mehr. Ich
werde nie erfahren, was er mir sagen wollte. Über uns ging ein Höllenspektakel
los, als würde im nächsten Augenblick die Bruchbude in sich zusammenfallen. Der
Boden vibrierte, vom Kellergewölbe fiel der Putz. Eine Glühbirne gab ihren
Geist auf. Zenana und der mit der Brille sprangen
hoch, ihre Stühle kippten um. In Sekundenbruchteilen hielten sie jeder eine
Kanone in der Hand. Der junge Kerl mit der Maschinenpistole verschwand nach
oben, um zu sehen, was los war. Kurz darauf kam er mit einem Landsmann zurück,
der aber auch keine Ahnung hatte, nur Schiß . Alle
brüllten sich an. Das reinste Kampfgetümmel. Eine zweite Explosion, und ‘ne
ganze Sippschaft kam in den Keller gerannt. Pistolenschüsse knallten. Es stank
nach Staub und Kordit. Auch mein Sonderbewacher stürzte sich ins Getümmel. Auf
mich achtete kein Mensch mehr. Ich warf mich auf den Boden. Der Tisch kippte
um, und meine Kanone fiel mir sozusagen in den Schoß, wie Sterntaler, nur
schwerer. Nestor Burma, immer mittendrin! Mitten in einer Strafexpedition,
einer internen Abrechnung, in Gruppenrivalitäten, Familienauseinandersetzungen,
egal wie man’s nennen will. Nein, so egal konnte mir das gar nicht sein! Eine
Kugel pfiff mir um die Ohren und drang in die Mauerwand. Ich ließ mich nicht
lumpen. Gab einen Schuß ab auf den, der mich als Zielscheibe benutzt hatte: Zenana , der freundliche, höfliche, liebenswürdige,
beflissene Araber! Der Kerl, der mir die Hanf-Pfeife gestopft hatte. Schien so,
als wollte er mir für immer das Maul stopfen. Ich war mir nicht ganz sicher,
aber es schien so. Ob ich ihn getroffen hatte, sah ich nicht mehr. Nicht weit
von mir explodierte eine Granate. Rauch und Staub nahmen mir jede Sicht. Ich
kroch zum Büfett und suchte dahinter Schutz. Etwas Rundes rollte auf mich zu...
eine Art Kugel. Aber hier wurde bestimmt nicht boule gespielt. Bevor das Ding hochging, warf ich es so weit weg wie möglich... gegen
das frisch gemauerte Stück Wand. Die Explosion riß ein Loch, als wären die
Steine aus Pappe gewesen.
    Und damit erschien eine weitere
Figur auf der Szene, halbnackt. Schien sich nicht gerade mordsmäßig zu
amüsieren. Dreißig Jahre in der Mauer oder Das Leben eines
Ziegelsteins. Der Mann hatte eine ungesunde Hautfarbe. Klar, viel Sonne
hatte er in letzter Zeit nicht abgekriegt. Seine riesengroßen Augen starrten
mich an, weitaufgerissen, erloschen.
    „ Salut, Demessy “,
begrüßte ich ihn.
    Er grüßte nicht zurück. Eine
erneute Explosion befreite ihn von der Mörtelschicht. Er verlor das
Gleichgewicht und fiel nach vorn.
    Ich weiß nicht, warum ich zu
ihm hinstürzte. Er konnte noch so oft fallen, es tat ihm nicht mehr weh.
Plötzlich spürte ich einen heißen Luftzug. Diesmal hatte es mich erwischt.
    Vielleicht ist das ja so in der
Stunde der Wahrheit... Endlich fällt einem das zu, hinter dem man sein ganzes
Leben lang hergerannt ist... Bevor ich das Bewußtsein verlor, sah ich Tausende von Banknoten um mich herumflattern.
     
    * * *
     
    „ Demessy ,
du Hüter des Schatzes...“
    Bett, Laken, Wände: alles war
weiß. Ich fragte matt:
    „Was soll das?“
    „Nur ‘ne Theorie“, antwortete Faroux .
    Er tippte mit seinem
nikotingelben Zeigefinger auf ein beschriebenes Blatt Papier.
    „Eine Theorie, die
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