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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Autoren: Henry Slesar
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habe eine wichtige Sache zu erledigen. Vielleicht können wir uns gütlich einigen.« Er holte die Brieftasche heraus. Aus dem schweinsledernen Fach schaute ein Zwanzigdollarschein heraus. Er zog sie hervor und sagte: »Angenommen, ich würde die Geldstrafe Ihnen aushändigen – was meinen Sie dazu?« Er kniff unbeholfen ein Auge zu.

    Der Polizist klappte abrupt das Buch zu und trat einen Schritt zurück. »In Ordnung – steigen Sie aus«, sagte er.
    »Warten Sie doch einen Moment...«
    »Steigen Sie aus, Mister, ich nehme Sie gleich mit.«
    Gorwald verfluchte seinen Fehler und kletterte aus dem Wagen. Als er auf der Straße stand, war er einen Kopf kleiner als der Beamte, und neben der hageren, muskulösen Gestalt des Polizisten wirkte er feist und verweichlicht. »Ich habe doch bloß versucht, mir Unannehmlichkeiten zu ersparen«, sagte er.
    »Dafür haben Sie jetzt sich ein paar Unannehmlichkeiten dazu eingehandelt. Mit Bestechung ist bei mir nichts zu machen, Mister.« Mit dem Daumen deutete er auf den Streifenwagen. »Steigen Sie schon ein. Ich will bloß noch Ihren Wagen anhängen, und dann fahren wir alle zusammen nach Perryville.«
    »Nach Perryville? Wo zum Teufel liegt denn das?«
    »Vor fünf Minuten sind Sie erst durchgekommen. Aber bei Ihrem Tempo haben Sie es wahrscheinlich gar nicht gemerkt. Es ist keine große Stadt, aber sie hat immerhin eine ziemlich wichtige Einrichtung: ein Gefängnis.«
    Perryville hatte tatsächlich ein Gefängnis, und als Gorwald davor stand, schwankte er zwischen Verachtung und Bestürzung. Das Gefängnisgebäude war ein weißgetünchter, mit Stuck verzierter Kasten, aller Wahrscheinlichkeit nach das äußerlich ordentlichste Gebäude der ganzen Stadt. Aber mehr war darüber auch nicht zu sagen. Innen war das Gefängnis von Perryville naßkalt und düster, mit feuchten grünen Wänden, einem ziemlich mitgenommenen Ungetüm von Schreibtisch, einem hölzernen Aktenschrank mit unzähligen Luftlöchern und zwei vergitterten Zellen, die die ganze Breite des Vorraums einnahmen.
    Weit und breit war niemand zu sehen, der Dienst tat, als der Polizist mit Gorwald das Gefängnis betrat, so dass der Beamte die Empfangsfeierlichkeiten selbst erledigte. Er nahm den Schlüsselbund von der tropfenden Wand, öffnete eine der Zellentüren und nickte in Gorwalds Richtung. Murrend ging der Geschäftsmann hinein.
    »Wann kann ich einen Richter sprechen?« sagte er. »Ich habe das Recht, vernommen zu werden.«
    »Mit dem Richter können Sie reden, sobald ich ihn gefunden habe. Heute ist Sonntag, Mister. Und sonntags ist es in dieser Gegend immer ziemlich still.« Er ging zu einer rückwärtigen Tür und öffnete sie. »He, Montague!« schrie er. »Sandy! Ist denn keiner hier?« Als er keine Antwort erhielt, zuckte er die Schultern. »Wahrscheinlich sind sie zum Essen weg. Ich gehe jetzt mal rüber zu Richter Webster und sage ihm Bescheid, dass Sie hier sind. Und Sie verhalten sich bis dahin ruhig!«
    Als er die Vordertür erreichte, fing Gorwald an zu protestieren. »He! Sie können mich hier nicht einfach allein lassen!«
    »Immer mit der Ruhe, Mister.« Er blickte wieder zur Hintertür, Ratlosigkeit auf dem Gesicht. »Ich verstehe einfach nicht, wo die alle hingegangen sind. Vielleicht...«
    Er wurde dadurch unterbrochen, dass die Vordertür nach innen aufflog. Der Mann, der hereinstürzte, war alt und weißhaarig; die Aufregung hatte jedoch sein verfälteltes mürrisches Gesicht so verwandelt, dass es fast jugendlich und gestrafft wirkte.
    »Carlie!« schrie er. »Mensch, bin ich vielleicht froh, dass du hier bist! In der Sekunde, wo ich draußen deinen Wagen sah, habe ich bloß noch gesagt: Gott sei Dank! Dieser Kerl ist ziemlich zäh...«
    »Wovon redest du eigentlich, Montague?«
    »Menschenskind, Carlie, hier in Perryville ist heute früh das schlimmste Verbrechen seit fünfzig Jahren passiert – hast du denn nichts davon gehört?« Er hustete asthmatisch und klopfte gegen die Pistolentasche, die er locker umgeschnallt hatte. »Ganz allein haben wir den Kerl geschnappt – ich meine, ich und Sandy haben ihn geschnappt, und jetzt versuche bloß nicht, den Ruhm für dich einzuheimsen. Du hast damit nicht mehr zu tun als uns zu helfen, dass wir ihn hier hereinkriegen, damit wir ihn einlochen können.« Er verstummte und starrte Gorwald an. »Ach du liebes Lieschen – was hat denn der hier zu suchen, Carlie?«
    »Der ist eingesperrt«, sagte der Staatspolizist knapp. »Vielleicht könntest
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