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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Autoren: Anthony Bourdain
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selbstredend viel höhere Quoten. Wenn wir, was selten
vorkam, in Amerika drehten, so wurde uns erklärt, schossen die Einschaltquoten in die Höhe, besonders, wenn ich mir etwas Gegrilltes in den Mund schob. Konnte ich meine Streifzüge nicht auf mein Heimatland beschränken - Parkplatzpartys und Chili-Kochwettbewerbe besuchen? Der ganze ausländische Kram mit Leuten, die komisch redeten und merkwürdige Sachen aßen, passte, wie mir in perfekter Juristensprache erläutert wurde, nicht ins »derzeitige Geschäftsmodell«.
    Dass am Ende des Tunnels kein Licht auftauchen würde, wusste ich, als der Anwalt und die (wie bald klar wurde) ausscheidenden Führungskräfte aufstanden und sagten: »Wir möchten Sie mit Brooke Johnson bekannt machen, die zu unserem Entzücken von [einem anderen Sender] zu uns stößt.« Miss Johnson war ganz offenkundig alles andere als entzückt, meine Partner und mich kennenzulernen. Man spürte förmlich, wie die Luft aus dem Raum entwich, kaum, dass sie eingetreten war. Augenblicklich war hier kein Platz mehr für Hoffnung oder Humor. Während der Kabinendruck abfiel, folgte ein schlaffer Händedruck, und alle Freude verschwand in einem schwarzen Loch, alles Licht, jedes Fünkchen Frohsinn wurde in den Strudel dieser gebeugten missmutigen Erscheinung gerissen. Ihr Desinteresse, das an nackte Feindseligkeit grenzte, war greifbar.
    Meine Partner und ich gingen in dem Wissen, dass unser Ende bei Food Network besiegelt war.
    Das »Geschäftsmodell«, dessen Speerspitze Miss Johnson offenbar war, erwies sich als unglaublich erfolgreich. Mit jeder Maßnahme, mit der das geistige Niveau des Programms heruntergeschraubt wurde, stiegen proportional die
Quoten. Es folgte eine Säuberungsaktion unter den Köchen, die den Sender aufgebaut hatten. Mario, Emeril und so gut wie jeder andere, der sich der Sünde der Professionalität schuldig gemacht hatte, wurden verbannt oder vertrieben wie unter den alten Bolschewiken, da sie für das eigentliche Geschäft gänzlich überflüssig waren. In Wahrheit ging es, so hatte man erkannt, um sympathische Leute und harmlose Bilder, mit denen sich die Zuschauer wohlfühlten.
    Mit jedem Frevel - den beschämenden, nur unter Schmerzen zu ertragenden Food Network Awards, dem unbeholfen manipulierten Next Food Network Star , dem kitschig-billigen Produktionsstandard des Next Iron Chef America -, mit jedem dilettantischen Abklatsch, den man auf Sendung schickte, schossen die Quoten in unermessliche Höhen, und mit ihnen stieg der Anteil der hoch geschätzten männlichen Zielgruppe zwischen zweiundzwanzig und sechsunddreißig (oder wo immer das Alter der Erstautokäufer statistisch liegt). Im Zuge dieses erbärmlichen neuen Konzepts durfte nicht einmal mehr die treue Seele Bobby Flay auch nur ansatzweise seine Kochkünste zeigen. In Wettbewerben um Krabbenpasteten musste er gegen linkische Bauerntrampel antreten und verlor merkwürdigerweise fast immer.
    Falls es noch eines Beweises für die Alternativlosigkeit, die Überlegenheit des Food-Network-Modells bedarf, für die unbändige Erfolgsdynamik und die brutale Genialität des Fünfjahresplans, den Brooke Johnson aufstellte: Die Zeitschrift Gourmet musste den Betrieb einstellen, und während landauf, landab Hochglanzmagazine in der Klemme sitzen und angesehene 180 Jahre alte Zeitschriften einpacken,
florieren Blätter wie Food Network Magazine , Everyday with Rachael Ray und Paula Deens Werbeheftchen. Das Imperium des Mittelmaßes streckt seine Tentakel übers ganze Land aus.
    Das ist der Lauf der Welt, das ist mir mittlerweile klar. Sich dem zu widersetzen heißt, sich gegen einen Hurrikan zu stemmen. Man beugt sich (vorzugsweise in der Taille, Arschbacken nach hinten). Oder man zerbricht.
    Und ich kann auch mit einem eher intuitiven Hinweis auf die Apokalypse aufwarten:
    Rachael Ray hat mir einen Obstgeschenkkorb zukommen lassen. Deshalb ziehe ich jetzt auch nicht mehr über sie her. So einfach bin ich heutzutage zu bändigen. Wirklich. Ein unverlangter Akt der Freundlichkeit, und ich tue mich echt schwer, noch gemein zu sein. Es käme mir … undankbar vor. Ungehobelt. Jemanden durch den Dreck zu ziehen, der mir Obst geschenkt hat, beißt sich mit meinem etwas schrägen Selbstbild als Gentleman. Rachael war da sehr raffiniert.
    Andere sind mehr auf Konfrontation gegangen.
    Wir befinden uns auf der Premierenfeier zum Film Julie & Julia . Ich stehe mit Ottavia, seit 2007 meine Ehefrau, und zwei Freunden am Rande des
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