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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Autoren: Anthony Bourdain
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als wären sie mir gerade eben erst eingefallen?
    Wer ist also hier die Nutte? Ich.
    Mein Gott, hätten Oprahs Leute es gefordert, als sie bei mir anriefen, dann hätte ich ihr den Rücken gekrault und die Bikinizone gewaxt. Für fünfundfünfzigtausend Exemplare in der Minute, in jeder Minute, in der Oprah über mein Buch spricht (so besagt es zumindest eine Branchenlegende)? Ich kenne kaum einen Autor, der es nicht getan hätte. Also kannte ich wohl schon damals meinen Preis.
    Es gibt da einen alten Witz, den ich schon bei anderer Gelegenheit erzählt habe. Ein Mann fragt an der Bar ein Mädchen, ob sie ihn für eine Million Dollar bumsen würde. Sie denkt darüber nach und antwortet schließlich: »Na ja, für eine Million Dollar, ja …« Da bietet er ihr einen Dollar für denselben Service. »Arschloch«, lehnt sie verärgert ab. »Du glaubst, ich vögle für einen Dollar mit dir? Wofür hältst du mich?« »Na ja«, lautet die Antwortet, »wir haben ja schon geklärt, dass du eine Hure bist. Jetzt feilschen wir nur noch um den Preis.«
    Das ist eine primitive sexistische Zote, die sich aber auf Männer und Frauen gleichermaßen anwenden lässt. Auf Küchenchefs wie auf alle anderen Handwerker, Künstler und Arbeiter.

    Was störte ich mich eigentlich daran, dass meine Kollegen, denen ich nicht einmal das Wasser reichen konnte, die Werbegelder, die ihnen von allen Seiten angeboten wurden, gern annahmen: Sie hielten Pfannen, Töpfe und Küchenutensilien in die Kamera, ließen Ghostwriter Kochbücher für sie schreiben, machten Fernsehwerbung für Fertiggerichte, Tischbacköfen und kalifornische Rosinen. Ich lehnte das alles ab.
    Eine geraume Zeit gaukelte ich mir vor, es ginge um … »Integrität« oder so etwas Ähnliches. Aber sobald ich Vater wurde, wusste ich es besser.
    Ich hatte nur um den Preis gefeilscht.
    Es war nie eine Frage der Integrität gewesen oder der Ethik oder so. Verdammt noch mal, ich hatte älteren Damen Geld gestohlen und meinen Ramsch auf der Straße verscherbelt, um Crack zu kaufen, hatte mit gepanschtem Koks und minderwertigen Pillen gehandelt und noch weit Schlimmeres getrieben.
    Ich suchte den Rat anderer. Ich brauchte die Hilfe von Menschen, die schon seit Jahren durch diese trüben Wasser navigierten. Eine besonders erhellende und präzise Erklärung kam ausgerechnet von Emeril. Wir waren beide bei einer Wohltätigkeitscomedygala unseres gemeinsamen Freundes Mario Batali eingeladen. In einem ruhigen Moment zwischen schweinischen Witzen kamen wir, wie so oft, ins Gespräch, und ich fragte ihn mit aufrichtiger Neugier, warum er nicht schon lange das Handtuch geworfen hatte. Er wurde damals von Food Network sehr schäbig behandelt, es war deutlich zu sehen, dass ihn das verletzte. Ich fragte ihn, warum er sich das gefallen ließ. »Du hast ein
angesehenes Restaurantimperium, die Kochbücher und die Küchengeräte« - ziemlich hochwertige Sachen - »und wahrscheinlich jede Menge Zaster. Warum machst du weiter? Was hast du vom Fernsehen, der bescheuerten Show, den johlenden, wildfremden, stiernackigen Leuten im Publikum? Wenn ich du wäre«, fuhr ich fort, »würden die Fernsehknilche zwei Wochen brauchen, bis sie mich überhaupt ans Telefon kriegen. Ich würde mich rarmachen, du würdest mich nie wieder in Schuhen sehen. Ich würde einen Sarong tragen und irgendwo leben, wo niemand mich jemals aufspüren könnte. Das alles hier, das wäre nur eine schwache Erinnerung.«
    Er ging nicht darauf ein, sondern lächelte nur nachsichtig. Dann zählte er seine Kinder auf, seine Exfrauen und die Angestellten seiner Firma (mehrere Hundert). In groben, ziemlich traurigen Zügen hielt er mir die schiere Größe des Monsters vor Augen, das er jeden Tag fütterte, um Emeril, der Verantwortungsvolle, zu sein und allen und jedem, die ihm auf dem Weg nach oben geholfen hatten und nun auf die eine oder andere Weise von ihm abhängig waren, gerecht zu werden. Sein Erfolg hatte sich zu einem organischen Wesen entwickelt, das stetig wuchs. Und das musste es auch, denn schrumpfen, oder auch nur stagnieren, bedeutete den Tod.
    Auch Mario hat zwölf Restaurants und mehrere Werbeverträge, er verkauft Kochgeschirr, Bücher und eine Puppe mit Wackelkopf, kooperiert mit NASCAR und weiß Gott was noch alles - dieser Mann scheint nie genug zu haben. Abgesehen davon, dass er für verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen, einschließlich seiner eigenen, Millionen von
Dollar eintreibt, geht es ihm ganz
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