Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Autoren: Anthony Bourdain
Vom Netzwerk:
Küchenchef. Im Grunde waren wir schlechte Menschen, und deshalb lebten wir auch so: Das halbe Leben bestand aus Arbeit und etwas Freizeit, die wir mit unseresgleichen verbrachten, gefolgt von der fragmenthaften Kopie richtigen Lebens, die uns dann noch blieb. Niemand liebte
uns. Warum auch? Als Köche waren wir stolz auf unsere Außenseiterstellung. Wir waren Sonderlinge. Wir wussten, dass wir Sonderlinge waren, spürten die Leerstellen in unserer Seele, die Lücken in unserer Persönlichkeit, und genau das hatte uns zu unserem Beruf geführt, uns zu dem gemacht, was wir waren.
    Mir war die Liebenswürdigkeit dieser Fernsehköche zuwider, denn sie kam einer Leugnung genau der Eigenschaft gleich, die ich immer als unsere herausragendste, charakteristischste betrachtet hatte: unsere Andersartigkeit.
    Wie nicht anders zu erwarten, symbolisierte Rachael Ray alles, was ich an der schönen neuen Welt der Starköche für falsch hielt, alles, was mir völlig unbegreiflich war, denn sie war nicht einmal eine von »uns«. Damals fand ich es besonders ärgerlich, dass der Titel »Chef« jedem zugestanden wurde, der eine Schürze trug. Es tat weh. (Das tut es heute noch.)
    Was für ein bedauernswerter Narr ich doch war.
    Aber meine schlechte Meinung über Food Network reichte schon länger zurück, und zwar bis in die Zeit, als der Sender noch ein winziges und armseliges Unternehmen war. Seine Studios befanden sich in den oberen Stockwerken eines Bürogebäudes in der Sixth Avenue, die Einschaltquote belief sich auf etwa acht Leute, und die Qualität der Sendungen entsprach in etwa der von Kabelfernsehsoftpornos. Bis Emeril, Bobby und Mario den Sender zu einer mächtigen internationalen Marke ausbauten. In den alten Zeiten saßen Leuchten der Restaurantszene wie Donna Hanover (damals Giuliani), Alan Richman, Bill Boggs und Nina Griscom in winzigen, büroartigen Räumen, die kaum groß genug waren
für die Kameras, und zeigten vorproduzierte Werbebänder, Schund von der Sorte, die über den Hotelkanal dudelt, wenn man im Sheraton den Fernseher anmacht. Sie kennen das vielleicht: glückliche »Gäste«, die unsicher auf ihren Meeresfrüchten herumkauen. Anschließend löffeln Alan, Donna, Nina oder Bill halbherzig ein paar Bissen vom »Käsekuchen nach Küchenchef Lou …, so was von lecker, oh-là-là!«, der in Wahrheit per FedEx direkt aus dem Ferienort oder irgendeinem anderen Rattennest kommt, das in der entsprechenden Woche beworben wird.
    Einmal lud man mich ein, Lachs zuzubereiten. Damals arbeitete ich im Sullivan’s und verramschte gerade meinen Erstling, einen Krimi mit dem Titel Gaumenkitzel, den mein Verleger bereits abgeschrieben hatte. Als ich im Sender eintraf, fand ich einen großen und völlig verdreckten Küchenbereich vor. Das Spülbecken war bis oben hin voll mit schmutzigen Töpfen und Pfannen, im Kühlschrank stapelten sich geheimnisvolle Plastikpäckchen, die niemand je öffnen würde. Auf den Arbeitsflächen lagen alte Essensreste von wer weiß wie vielen Kochsessions vor der Kamera, ein Panorama aus grau oxidierenden und verschimmelnden Lebensmitteln, auf denen sich Fruchtfliegen gütlich taten. Der verantwortliche »Küchenchef« stand mit dem Finger bis zum Knöchel in der Nase da und war sich offenbar des Gemetzels ringsum nicht bewusst. Von Zeit zu Zeit kamen tatsächlich Darsteller und Techniker verschiedener Produktionen herein, nahmen sich etwas von dieser einst essbaren Müllkippe und verspeisten es. Im Studio musste ich dann auf einer elektrischen Herdplatte kochen, die nach den verbrannten Überresten früherer Opfer roch. Aus einem Spülbecken,
in dem sich das Geschirr türmte wie die Grabungsschichten im alten Troja, musste ich ganz unten erst einmal eine Bratpfanne herausziehen und sauber schrubben. Doch diese wenig beeindruckende erste Begegnung mit Food Network war durchaus noch kein Grund für echte Abneigung. Distanziertheit wäre wohl das treffendere Wort.
    Ich nahm die Leute nicht ernst. Wie auch?
    Und ehrlich gesagt hatte ich nie richtig etwas gegen Emeril oder Bobby, nicht einmal gegen Rachael, obwohl ich ihre Sendungen, na ja, grotesk fand, irgendwie sogar peinlich.
    Verachtung für den Sender stellte sich erst später ein, nach dem Erscheinen von Geständnisse eines Küchenchefs . Als ich einen satten Reibach damit gemacht hatte, Emeril, Bobby und Rachael durch den Kakao zu ziehen. Als mich die Scheißkerle einstellten.
    Noch immer kochte ich Tag und Nacht. Mein Buch stand auf der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher