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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Autoren: Jana Seidel
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Geburtstag und beschlossen, sein Ressort in seinen eigenen vier Wänden zu versammeln, um ein wenig nachzufeiern. Das ist neu. So etwas hat er noch nie gemacht. Aber wo er jetzt schon einmal eine von uns, Toni, in sein Leben gelassen hat, dachte er wohl, dass er uns dann auch gleich alle einladen kann. Seine sicher sauteure Vierzimmerwohnung nahe der Alster sieht genauso aus, wie ich sie mir vorgestellt habe. Nur frage ich mich, wie Toni es hier aushält. Die Wände sind mit Andy-Warhol-Drucken nur so zugekleistert: Tomatendosen, Bananen und Pandabären in allen Farben. Was die Möbel angeht, hält er es puristisch, abgesehen von den Wandbehängen sind die Räume nahezu leer. Ich komme mir ein bisschen wie in einem Museum
für moderne Kunst vor. In einem der Räume steht nichts, bis auf einen langgezogenen Esstisch mit Stühlen, die Stereoanlage steht auf dem Holzfußboden. Der Stuck an der Decke ist vermutlich sogar echt. Im Esszimmer hat er eine Wand freigelassen für ein riesiges Bücherregal. Das wirkt sehr gut gefüllt, aber dennoch leblos. Zwischen den gebundenen Ausgaben aller wichtigen Werke zeitgenössischer Schriftsteller lugt nicht ein einziges zerfleddertes, triviales Taschenbuch hervor. Es passt zu dem Eindruck, den ich von PaPi immer schon hatte: viel Fassade, wenig Eigensinn. Aber Toni wird schon wissen, was sie tut.
    Klaus und Anna sind natürlich hellauf begeistert von seinem Stilvermögen. Diana knirscht mit den Zähnen, weil sie sich selbst gerne hier eingenistet hätte. Die Blicke, die sie Toni zuwirft, sind mehr als nur ein bisschen feindselig. Die schenkt derweil sehr gelassen den Wein ein. Dann bringen sie und PaPi die Vorspeise – kleine, gefüllte Auberginenröllchen, die Toni zubereitet hat. Unfassbar. Vor uns hat sie sich immer damit gebrüstet, dass sie überhaupt nicht kochen könne. Diese Röllchen sehen aber nach hundert Jahren Kocherfahrung aus und duften unwahrscheinlich lecker. Ich möchte sofort reinbeißen, aber links neben mir ist noch ein unbesetzter, gedeckter Platz. Ich sehe mich um, eigentlich sind wir vollständig. Da klingelt es an der Tür.
    PaPi springt auf. »Das wird André sein.« Er zwinkert mir zu. Entsetzt starre ich Toni zu meiner Rechten an. Die anderen sehen auch ein wenig irritiert aus. Räumlich ist die Sportredaktion zwar nur ein paar Türen von der Kulturredaktion entfernt, dazwischen liegen dennoch unüberbrückbare Welten. Zu rechtfertigen ist eine solche Einladung
höchstens dadurch, dass PaPi öfter einmal mit André in dessen Büro vor dem Fernseher rumhängt, wenn wichtige Fußballspiele übertragen werden. Was weiß ich schon über PaPi? Vielleicht sind die beiden ja befreundet. Aber mir schwant, dass hier gerade eine ganz andere, eine ganz krumme Geschichte abläuft.
    Â»Sei jetzt bitte nicht sauer. Paul weiß, wie wichtig du mir bist und hat sich nun partout in den Kopf gesetzt, er müsse dich trösten. Und nachdem er euch einmal am Kaffeeautomaten gesehen hat …«, flüstert Toni.
    Â»Hast du ihm nicht gesagt, dass das völliger Blödsinn ist?«, zische ich zurück.
    Â»Doch, schon, aber wenn er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat …« Toni zuckt resigniert mit den Schultern.
    Na, da kann ich mir ja wohl die kleine Unhöflichkeit erlauben, schon einmal einen kräftigen Schluck aus meinem Glas zu nehmen, bevor alle wieder am Tisch sitzen. Und schon lässt sich André auf den Stuhl neben mir fallen. Hoffentlich spuckt er nicht wieder in mein Essen.
    Â»Das sieht hervorragend aus, Toni«, hört man Diana flöten. Toni sieht genauso überrascht aus, wie ich mich fühle. Da fährt das Biest schon fort: »Obwohl ich sonst ja immer denke, dass die Küche von Jamie Oliver gnadenlos überschätzt wird.«
    Dianas hinterhältige Aktion läuft aber voll ins Leere.
    Â»Was, das war gar keine Eigenkreation, Toni?«, sagt PaPi gespielt enttäuscht und gleichzeitig so zärtlich, dass mir an Dianas Stelle wohl die Tränen in die Augen geschossen wären.

    Danach gerät das Gespräch ein wenig ins Stocken. Wir versinken in schweigsames Essen und ein wenig Tratsch über abwesende Kollegen. Was hat PaPi sich nur bei dieser Einladung gedacht? Ich sehe mich in der Runde um und stelle etwas fest, was bei der gemeinsamen Arbeit weniger ins Auge sticht: Abgesehen von Letzterer
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