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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz
Autoren: Jacques Berndorf
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mochte behagliche
deutsche Bürgerlichkeit im Geist der stillosen Achtundsechziger. Vor mir lagen
zwei große Matratzen nebeneinander. Weitere Matratzen von der Sorte grau-weiß gestreifter
Stoff lehnten an der Wand. Zwischen den Matratzen auf dem Boden befand sich ein
alter Kerzenleuchter aus Zinn, in dem weiße Haushaltskerzen abgebrannt worden
waren, ein benutzter, aber leerer Aschenbecher, zwei Colaflaschen, leer, und
zwei Flaschen Wodka, jede halb voll.
    Ich sagte irgendetwas Dummes, wahrscheinlich: »Heiliges
Kanonenrohr!«, und verließ den Keller.
    Weil ich mir nicht vorwerfen lassen wollte, oberflächlich
zu sein, öffnete ich anschließend jede Tür im Haus bis hinauf zum Dachboden.
Doch ich fand sonst nichts, was bemerkenswert war.
    Emma hockte nach wie vor im Speisesaal auf ihrem Hocker
dicht an der Wand und beobachtete Kischkewitz’ Truppe, die gerade dabei war,
das Kreuz mitsamt dem Körper des Jungen langsam nach vorn zu kippen.
    Â»Im Keller ist etwas«, sagte ich.
    Â»Alte Möbel«, erwiderte sie leichthin.
    Â»Nein. Besucher.«
    Sie warf mir einen prüfenden Blick zu, stand auf und lief
hinaus in die Halle und die Treppe hinunter. Nach drei Minuten kehrte sie
zurück. »Du hast recht. Kischkewitz dreht durch, wenn er davon hört. Wie bist
du darauf gekommen?«
    Â»Es roch so anders«, antwortete ich.
    Â»Heh, Peter«, rief Emma.
    Ein dünner, großer Mann drehte sich um und kam zu uns.
    Â»Im Keller ist was«, sagte Emma. »Das dürft ihr nicht vergessen.«
    Â»Wie?«, fragte dieser Peter.
    Â»Schau es dir an«, murmelte Emma. »Die Tür steht offen,
der rechte Raum.«
    Peter verschwand, tauchte nach ein paar Minuten mit einem
krebsroten Kopf wieder auf und schrie: »Wer hat den Keller abgesucht?«
    Â»Ich«, antwortete ein dicklicher junger Mann vollkommen
gleichgültig.
    Â»Dann geh noch mal runter! Da warten garantiert weitere
vier Stunden Arbeit auf dich.«
    Â»Wieso denn das?«, fragte der dickliche Mensch weinerlich.
    Â»Dich hätten sie besser ins Archiv gesteckt«, blaffte
der, der Peter hieß. Dann beugte er sich vor, klatschte wütend auf seine
Oberschenkel und zischte: »Verdammte! Und das heute, wo meine Frau Geburtstag
hat! Warum kriege ich immer diese gottverdammten Praktikanten!« Er richtete
sich wieder auf und herrschte den Dicklichen an: »Jetzt beweg dich endlich in
diesen Keller und schau dir an, was du übersehen hast! Aber komm um Gottes
willen nicht auf die Idee aufzuräumen. Tanja, geh mit ihm, sonst baut er noch
mal Blödsinn.«
    Aufreizend langsam wandte sich der dickliche Praktikant
um und verließ den Speisesaal.
    Stattdessen erschien Rodenstock. Er küsste seine Frau auf
das Haar und ich fühlte Neid aufkommen.
    Â»Aha, sie nehmen ihn schon ab«, stellte Rodenstock fest.
»Die Frau ist auf dem Weg in die Rechtsmedizin. Eine vollkommen artfremde
Erscheinung, sie passt nicht in den Wald, irgendwie unwirklich. Irgendetwas
Neues hier?«
    Â»Baumeister hat im Keller Besuch entdeckt«, antwortete
Emma. »Gerade noch rechtzeitig.«
    Â»Dein Freund und Helfer, die Internationale Presse in der
Eifel«, sagte Rodenstock ironisch. »Muss ich das sehen?«
    Â»Unbedingt«, nickte Emma.
    Â»Also, ich fahre dann«, teilte ich mit. »Und ich komme
zum Essen. Den anderen Tatort sehe ich mir morgen an.«
    Â»Warte mal! Sag noch, was hast du als Erstes gedacht, als
du diesen toten Jungen hier gesehen hast?« Rodenstocks Gesichtsausdruck wirkte
auf einmal sehr verkrampft.
    Â»Weiß nicht«, antwortete ich. »Anfangs erinnerte ich mich
an Kreuzigungsdarstellungen, wie man sie früher in der Eifel in biblischen
Geschichten aufgeführt hat. Unwirklich, rührend hilflos, eben Laientheater.
Aber jetzt, nachdem mir klar geworden ist, dass dieser Junge dargeboten werden
sollte, friere ich. Irgendwie erscheint mir diese Inszenierung simpel und
gleichzeitig eiskalt. Ach, Rodenstock, erspar mir das jetzt, wir wissen noch zu
wenig.«
    Er nickte. »Bis später dann«, sagte er.
    Â»Moment – was hast du denn gedacht?«
    Â»An religiöse Fanatiker, an Extremisten, ja sogar an Terroristen«,
antwortete er.
    Â»Das eine muss das andere nicht ausschließen«, erwiderte
ich nachdenklich. »Ich sehe euch bei den Nudeln.«
    Ich setzte mich in mein Auto und fuhr gemächlich Richtung
Heimat. Ratlos fragte ich
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