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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz
Autoren: Jacques Berndorf
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Kreuzes. So wie der Jude namens Jesus, der niemals in seinem Leben
vorhatte, eine eigene Religion zu gründen. Vielleicht steckt hinter dem Mord
die Überlegung, dass die Moral auf dieser Welt abhanden gekommen ist, dass
Ethik nicht mehr sichtbar ist, dass es zunehmend an ideellen Werten fehlt, dass
eine böswillige Wirtschaftsform, die wir gnädig Globalisierung nennen, unseren
Planeten an den Rand des Untergangs treibt.«Kischkewitz stöhnte
erneut. »So ein Mord von möglicherweise religiösen Eiferern macht mir Angst.
Was soll ich bloß der Presse sagen? Die kann ich kaum hinhalten.«
    Â»Sag ihnen am besten die Wahrheit«, riet Emma. »Wenn du
ihnen etwas verschweigst, gehen die Spekulationen ins Bodenlose.«
    Kischkewitz wandte sich wieder mir zu. »Natürlich haben
wir Spuren von Händen und Fingern gefunden. Aber das sind nur Schlieren, weil
Handschuhe im Spiel waren. Da hat jemand sehr sauber gearbeitet.«
    Â»Gibt es in anderen Räumen Anzeichen dafür, dass sich in
letzter Zeit Menschen in der Villa aufgehalten haben?«, wollte Emma wissen.
    Â»Nein.«
    Â»Was ist mit dem Dachstuhl und dem Keller?«, fragte ich.
    Â»Nichts. In zwei Kellerräumen stehen alte Möbel rum, typische
Rumpelkammern. Ansonsten ist das Haus völlig leer, so, als wäre seit vielen
Jahren niemand hier gewesen.«
    Â»Die Fenster sehen aber aus wie frisch geputzt«, teilte
ich meine Beobachtung mit.
    Â»Das hat der Ortsbürgermeister organisiert. Für den Fall,
dass ein Kaufinteressent auftritt. Vor einer Woche hat er eine Polin hergefahren,
ihr das Haus aufgeschlossen und, als sie fertig war, wieder abgesperrt. Mit der
haben wir schon gesprochen. So, und jetzt muss ich zu den Eltern des Jungen.«
Er stemmte sich hoch, nickte uns zu und verschwand.
    Â»Schlimme Aufgabe«, sagte Emma. »Davor hatte ich mein
ganzes Berufsleben lang Angst. Was machen wir jetzt?«
    Â»Ich kann dich heimbringen. Ich denke mal, zu der Frau
werde ich nicht mehr fahren, ich werde Kischkewitz nach Fotos fragen.
Wahrscheinlich ist sie ja sowieso schon auf dem Weg in die Rechtsmedizin nach
Mainz. Vorher würde ich mir allerdings gern das ganze Haus ansehen, die Atmosphäre
einfangen.«
    Â»Gut«, nickte Emma. »Ich warte so lange. Und dann mache ich Spaghetti con aglio, olio e peperoncino. Du bist herzlich
eingeladen. Aber nicht vor neun Uhr abends.«
    In dem Moment meldete sich ihr Handy und sie lauschte
kurz. Dann teilte sie mir mit: »Meine Pläne haben sich soeben geändert.
Rodenstock kommt her und nimmt mich wieder auf. Gute Reise durch dieses Haus,
und falls du Gespenstern begegnest, grüß sie schön.«
    Ich fing im Keller an.
    Die meisten Räume waren tatsächlich kahl und leer und
sahen so aus, als habe man sie am Tag zuvor ausgefegt. Der Heizungsraum war
sehr groß, der Brenner neu, die mächtigen Öltanks geradezu jungfräulich.
    Die alten Möbel waren in zwei nebeneinanderliegenden
Räumen verstaut. In dem linken lagerten vor allem alte Stühle. In dem rechten
war so etwas wie eine eigene Welt entstanden: Kommoden, uralte Eichenkisten,
Sessel, das Gerüst eines Doppelbettes, ein auseinandergenommener Schrank, weiß
lackierte alte Küchenmöbel und eine große Menge mit Brokat überzogener Polster
von irgendwelchen Sitzgelegenheiten bildeten ein geordnetes Chaos. Ein
Antiquitätenhändler hätte hier reiche Beute machen können.
    Verblüffend war, dass es in diesem Raum vollkommen anders
roch als in den anderen. Die sanfte Note von Moder und Feuchtigkeit fehlte
völlig, der Duft des alten leer stehenden Hauses war nicht auszumachen.
    Stattdessen roch es eindeutig nach irgendwelchen Essenzen,
die Frauen und Männer von heute benutzen, weil die Werbung ihnen sagt, das sei
der Geruch für den Sieger, für den Sportsmann, für den cleveren jungen Manager,
der allein wegen seiner fantastischen Ausdünstungen von schönen Frauen
angehimmelt wird.
    Wenn man die Tür dieses Raumes öffnete, lief man zunächst
gegen vier Küchenstühle, weißer Schleiflack. Dahinter stand hochkant eine
Kiste, die vielleicht schon mit Columbus gereist war. In der Breite nach rechts
folgten der Aufsatz eines alten Schrankes, daneben eine Lücke, dann zwei
aufeinandergestellte alte Holzsessel mit dicken tiefblauen Polstern.
    Ich quetschte mich durch die Lücke.
    Wer immer die Szene angerichtet hatte, er
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