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Eifel-Feuer

Eifel-Feuer

Titel: Eifel-Feuer
Autoren: Jacques Berndorf
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Leben mache. Ich meine, ich muß irgend etwas tun, um auf die Hufe zu kommen. Ach, Scheiße, Baumeister. Ich lebe hier mit dir, von deinem Geld. Und wenn ich einen Auftrag kriege, kriege ich den, weil du das vorher geregelt hast. So kann ich nicht mehr leben, Baumeister, so nicht.«
    Es tat irgendwo in meinem Bauch weh, und ich konnte nicht einmal behaupten, daß ich vorher ahnungslos gewesen war. Es schwelte seit langem in ihr, ich hatte es gewußt. »Du willst also weg, um Eigenständigkeit zu erlangen?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Ich weiß es nicht. In den nächsten Tagen.«
    »Und du weißt nicht, wohin?«
    »Ich habe gedacht, ich fahre mal nach Ossiland. Irgendeine Redaktion in irgendeinem Kaff wird mich schon nehmen.«
    »Du bist verrückt. Freie Jobs gibt es auch da nicht.« Ich hatte einen Kloß im Hals und wußte, daß alle Argumente nichts nutzen würden. »Das kommt etwas ... das kommt etwas plötzlich.«
    »Ich muß es aber tun, Baumeister«, sagte sie klar und kräftig.
    »Und wann soll das stattfinden? Ich meine, es würde mich quälen ... also ich denke ...«
    »Ich kann heute schon abhauen. Das ist dir lieber, nicht?«
    »Du lieber Gott«, brüllte ich. »Hau ab! Nun hau schon ab.«
    Sie hatte ganz weite, erschreckte Augen und starrte mich entsetzt an. Sie stand auf und ging durch das viel zu lange Gras davon. Sie murmelte etwas wie: »Ich bin schon weg«, ehe sie um die Ecke bog und verschwand.
    Eine Stunde später knatterte ihr Käfer, und sie fuhr vom Hof. Sie hatte sogar ihre Seite des Bettes abgezogen, und sie hatte einen Brief an mich auf den Wohnzimmertisch gelegt.
    Sie mußte ihn Tage vorher geschrieben haben, denn er war sehr lang, sehr logisch und vollkommen verrückt. Sie schrieb, daß sie mich noch immer liebe, aber sehr große Furcht davor habe, in Unselbständigkeit zu versacken. Und es war immer mein höchster Wunsch, Baumeister, eine sehr selbständige Person zu werden. Und das will ich wenigstens versucht haben. Du behauptest immer, ich hätte unzweideutig Talent. Ich gehe den Beweis suchen. Sie schrieb, die Zeit mit mir sei die schönste ihres Lebens gewesen, aber um sie zu retten, müsse sie diese Zeit unterbrechen. Und ich solle beruhigt sein. Ich weiß, Baumeister, daß dir das sehr weh tut und daß du unter Deinen Phantasien leiden wirst. Aber es steckt kein anderer Mann dahinter. Wünsch mir Glück, Baumeister. Ich wünsche mir, daß ich bald wieder in der Eifel bin.
    »Heilige Scheiße!« schrie ich. »Das darf doch nicht wahr sein, sie hat ja nicht mal genügend Geld, um sich ein Brot zu kaufen!«
    Paul hockte in Dinahs Sessel und starrte mich an, als wollte er sagen: »Was regst du dich auf? Sie hat so entschieden, und also müssen wir damit leben.«
    »Die ist doch bescheuert«, schrie ich weiter. »Die ist vollkommen abgedreht! Die meint, sie kann irgendwann wieder auftauchen, und alles ist in Butter. Nichts wird jemals wieder in Butter sein, verdammt noch mal. Oh Gott!«
    Ich wanderte durch das Haus, treppauf, treppab, schaltete die CD-Anlage ein, und der saublöde Louis Armstrong röhrte zum Klavier des Oscar Peterson »What a wonderful world!« Ich warf mit der Fernbedienung nach der Anlage, aber Armstrong ließ sich nicht stören und wurde dann von der bieder-hausfraulich wirkenden Phoebe Snow abgelöst, die sehr aufmüpfig »Teach me tonight« und »Love makes a woman« in den Äther schickte.
    Ich stand im Keller und starrte auf den Haufen Feuerholz, ohne zu wissen, wie ich dorthin gekommen war. Ich stand auf dem Dachboden und blickte in das Chaos unserer Geschichte, die seltsam klar und heiter verlaufen war. Ich sah den Staub in den Sonnenstrahlen tanzen, die wie Messer durch die Ritzen zwischen den Dachpfannen stachen.
    Irgendwann hörte das Fieber auf, und irgendwann spürte ich erschrocken, daß ich weinte. »Diese blöden Beziehungskisten«, sagte ich in die Stille, und meine Stimme kam mir sehr fest vor.
    Gegen Mittag beschloß ich, den General zu besuchen. Er war ein freundlicher, fairer Mann, er hatte keine Ahnung von Dinahs Existenz, und ich würde nicht in Versuchung kommen, ihm irgend etwas vorzujammern. Der General war nichts anderes als ein Eifelfreak wie ich, die Eifel war das Band zwischen uns, und niemals würde ich ihn interviewen, weil zuviel Geschwätz in meiner Branche unweigerlich zu Beliebigkeit und Lieblosigkeit führt.
    Aber dann fühlte ich mich so elend, daß ich fürchtete, dem General durch beharrliches Schweigen auf die Nerven zu fallen. Ich
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