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Eifel-Feuer

Eifel-Feuer

Titel: Eifel-Feuer
Autoren: Jacques Berndorf
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Start war furios gewesen, seine Unerschrockenheit sehr schnell Legende. Vor vier Wochen hatten sie ihn am hellichten Tag mitsamt seinem Chauffeur in die Luft gejagt, als er gerade eine neue Brücke einweihen wollte. Ich erinnerte mich, wie ich entsetzt und bleich vor dem Fernseher gesessen hatte, wie Dinah mich ansah und erschrocken fragte: »Was ist denn mit dir?« – »Ich kannte den gut«, erklärte ich tonlos. »Aus irgendeinem Grund kommen die Besten immer vorzeitig um. Er war erst lächerliche fünf und vier zig.«
    Seiner Frau hatte ich geschrieben und eigentlich nicht gewußt, was man in solchen Ausweglosigkeiten schreibt. Es gab nicht einmal ein Foto seiner Leiche, jemand im Fernsehen hatte kühl gesagt: »Es hat ihn zerrissen, es zerriß ihn im Bruchteil einer Sekunde.« Das offizielle Bonn sonderte Offizielles ab, der unvermeidliche Satz vom Mann, der sich ums Vaterland verdient gemacht hat, wurde stark strapaziert. Ich erinnerte mich, wie wir durch die Rheinauen spaziert waren, um in Godesberg Kaffee zu trinken. Ich erinnerte mich, ihn gefragt zu haben: »Was wünscht sich der Abgeordnete Herterich von seinen Wählern?« Er konnte grinsen wie ein übermütiger Gassenjunge. »Nichts«, hatte er gesagt. »Nichts, außer der Fähigkeit, nicht alles zu glauben, was ich ihnen erzähle.« Dann war er plötzlich tot, dann hatte es ihn zerrissen, und er war für ein paar Tage zum Star meiner Branche avanciert. »So eine Scheiße«, sagte ich laut. Endlich ging ich mich rasieren, denn nun wußte ich, daß Dinah nicht zurückkehren würde, nicht so schnell jedenfalls.
    Ich stellte den Katzen genügend Wasser und Trockenfutter vor die Kellertür, damit sie notfalls für ein paar Tage versorgt waren. Paul machte einen deprimierten Eindruck, weil er selbstverständlich wußte, daß er bis zu Momos Rückkehr allein sein würde. Das gefiel ihm nicht. Ich streichelte ihn noch einmal und sagte einigermaßen mutig: »Da müssen wir jetzt durch, mein Lieber.« Dann fuhr ich.
    Normalerweise nehme ich zum General die direkte Strecke über Nohn und Adenau zur Hohen Acht. Da aber die Möglichkeit bestand, daß er ein Mittagsschläfchen machte oder so etwas wie eine Siesta einlegte, beschloß ich, einen Schlenker durch das Ahrtal zu machen, um dann gutbürgerlich zum Nachmittagskaffee bei ihm aufzutauchen, obwohl ich zu wissen glaubte, daß er gar nicht gutbürgerlich war. Ich fuhr also über Kerpen nach Niederehe, nach Nohn und weiter in Richtung Ahütte im Ahrtal. Dann ging es nach rechts an der Ahr entlang bis Müsch, schließlich auf Schuld und Insul zu. Hier oben ist der Fluß noch klar und besitzt die liebenswerte Unordentlichkeit eines in vielen Mäandern durch das Tal ziehenden Wasserlaufs, von dem nicht genau zu sagen ist, ob sein Bett im nächsten Jahr noch dasselbe sein wird. Es war heiß, und die Hänge detonierten in Gelb, der Ginster blühte. Vor Fuchshofen rechnete ich mir aus, daß ich zu früh beim General sein würde, und hielt an. Ich ging durch die Wiesen rechter Hand und hockte mich an die Ahr, die in jedem Jahr um diese Zeit ein kleines Wunder parat hält. Es heißt großartig Hydrochorus Morsus Ranae, aber man kann es auch den Gemeinen Froschbiß nennen. Ein weißes Blütenmeer schwimmt auf dem Wasser, wundersame große schwankende Teppiche.
    Ich stopfte mir eine Pfeife und paffte vor mich hin, ehe ich weiterfuhr und die Steilhänge bei Fuchshofen erreichte. Schiefernasen im Gestein sind hier die Standorte der Steingewächse, deren Farben von leuchtend hellem Grün bis zu tiefem Violett reichten. Das Altrosa der blühenden Wiesengräser hob sich klar von den unendlich vielen Grün tönen der Wälder ab. In der Eifel begreift man schnell, woher die Schneider dieser Welt ihre Farben haben. In Dümpelfeld zog ich links Richtung Altenahr weiter und war ein paar Kilometer lang von wildgewordenen Bikern umgeben, die in der Nähe des Nürburgrings grundsätzlich so tun, als bestehe nicht die geringste Möglichkeit, eine Geschwindigkeit unterhalb der 130er-Marke zu wählen. Dazu gesellten sich ein paar mit dem Gaspedal spielende Jungmechaniker, die unbedingt den Bikern zeigen wollten, daß sie auch ganz schön schnell sein konnten. Diesen Teil der Strecke muß man mit Demut nehmen. Augen weit auf, behutsam durch und jeden Wutanfall im Keim ersticken. In Ahrbrück verließ ich die Arena der motorisierten Idioten und nahm den Weg über Kesseling, Weidenbach, Herschbach und Kaltenborn. Ich kam gewissermaßen durch
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