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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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Haus hatte Seeblick, dieser sei nicht hoch genug einzuschätzen, hatte Christiane mir eingeschärft, und tatsächlich sah der See in der beginnenden Nacht zauberhaft aus, das Boot, das aufs Ufer zuglitt, wie eine Barke aus einem Traum. Plätschern. Stimmen. Ein Mann und eine Frau. Sie legten an, und der Mann machte das Boot fest, half der Frau ans Ufer. Sein weißes Hemd leuchtete in der Dämmerung. Von der Frau sah ich nur Locken, die ihren Kopf umwallten.
    »Ich bring dich jetzt hoam«, sagte er, in seiner Stimme lediglich eine sanfte, weiche Färbung des Dialekts. Er legte einen Arm um seine Freundin, und sie entfernten sich über den Uferweg. Ich fühlte mich auf einmal schrecklich einsam und trank einen großen Schluck Aperol. Warum brachte mich niemand hoam? Warum gelang es allen um mich herum, sich zu verlieben und wiedergeliebt zu werden, nur mir nicht? Warum verliebten sich ausschließlich brave Langweiler oder Freaks mit Mutterkomplex in mich? Die Männer, bei denen mir die Knie schwach wurden, liebten andere Frauen. Elfenhaftere, hilflosere Frauen. Ich war der Kumpeltyp mit den tollen Airbags. Auch für Mirko. Die tüchtige Georgina, die dafür sorgte, dass in seiner Garderobe immer der richtige Joghurt bereitstand, mit 1,8 Prozent Fettgehalt, und die an jedem Auftrittsort das beste Fitnessstudio ausfindig machte.
    Mirko war der Star unserer Agentur. Er hatte einen durchtrainierten Körper, ein sexy Grübchen am Kinn und eine freche Haarsträhne, die ihm immer wieder in die Stirn fiel. Er sehe so gut aus, dass er es nicht nötig habe, Komiker zu sein, hatte ein Kritiker geschrieben. Als ich das erste Mal bei einem seiner Auftritte hinter der Bühne gestanden hatte, waren mir die Tränen gekommen. Er sah so klein aus auf dieser riesigen Bühne, allein im grellen Scheinwerferlicht, vor dem schwarzen Abgrund, aus dem es murmelte, johlte und pfiff. Wie ein Dirigent eines Lachorchesters stand er vor der Menge, brachte Leute dazu, sich zu schütteln, zu klatschen, zu kreischen. In jeder Stadt hingen ihm die Frauen atemlos an den Lippen, verfolgten seinen Tigergang, warteten darauf, dass sein T-Shirt wenigstens einen Zentimeter nach oben rutschte, seine Bauchmuskeln freigab. Und standen nachher vor seinem Hotel. Oder riefen bei uns an, fragten nach seiner Telefonnummer. Die sie natürlich nicht bekamen. Ich hatte seine Telefonnummer. Sogar die Geheimnummer seines Handys. Ich konnte ihn auch nachts anrufen. Um ihm zu erklären, in welchem Fitnessstudio er am Morgen trainieren würde, oder um ihm die Soundcheckzeiten für den nächsten Tag durchzugeben. Worauf er meist dankbar, aber abwesend reagierte.
    Mirko, so viel war klar, hatte es nicht nötig, auch nur einen Gedanken an Georgina, Schorschelchen oder Gina zu verschwenden. Schnell trank ich einige Schlucke. Ich musste es zugeben: Seit ich mich von meinem Lebensabschnittslangweiler getrennt hatte, den Julia hartnäckig »Prinz Muffel« nannte, war mein Liebesleben eine ziemliche Katastrophe. Wobei die Beziehung mit Prinz Muffel auch nicht unbedingt prickelnd gewesen war. Von der ersten Balzphase waren wir sehr schnell zur Nüsschen-vor-dem-Fernseher-Phase übergegangen. Wenn wir überhaupt einmal ausgingen, dann nur in die nächste Pizzeria, und verirrte sich ein Rosenverkäufer tatsächlich einmal an unseren Tisch, redete Prinz M. von der schlechten Ökobilanz von Rosen. Ich solle, sagte mir Julia immer wieder, froh sein, dass ich diese rosenlose Nüsschen-Gemeinsamkeit gegen meine Freiheit eingetauscht hatte. Aber in schwachen Momenten wie diesem beschlich mich der Gedanke, dass gemeinsames Nüsschenknabbern im Bett vielleicht immer noch besser war als das schmerzhafte Knabbern der Sehnsucht an meinem Herzen.
    Inzwischen hatte ich den ersten Piccolo ausgetrunken, auch der zweite war fast leer. Ich nahm den letzten Schluck auf ex, griff nach meinem nach Shampoo duftenden iPhone und rief Julia an. Sie war zu Hause. An ihrem Tonfall hörte ich, dass das Karöttchen bei ihr war. Wahrscheinlich, dachte ich, machten sie Tantraübungen, während ich ihr erst von den Zuständen im Haus vorjammerte und dann erzählte, dass ich mich wieder einmal fühlte wie ein Single auf der Arche Noah.
    »Dann probier’s doch endlich«, sagte Julia. »Bei mir hat es ja auch geklappt.«
    »Du meinst diesen Quatsch mit der Bestellung beim Universum?«
    Sie hatte den Tipp von einer Freundin: Man könne sich alles, was man wünsche, beim Universum bestellen. Auch einen Mann. Es sei
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