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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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Schnellstraße abgefahren, auf eine Landstraße und wieder auf eine kleinere Straße.
    »Geradeaus«, bellte er. »Mach keine Faxen und tu, was ich dir sage, geradeaus.«
    Aber geradeaus lag nichts als eine graublaue Wasserfläche. Ich bekämpfte meine Neigung, es ihm recht machen zu wollen, und bog im letzten Moment ab, bretterte durch ein efeubewachsenes Tor, umkränzt von blauen, roten und gelben Glühbirnchen. Bruce verschlug es die Sprache. Bevor er sie wiederfinden konnte, stellte ich den Motor ab. Stille. Nur das Plätschern und Glucksen der Wellen gegen die Ufersteine. Und von irgendwoher die winselnde Stimme eines Country-Sängers. Ich stieg aus. Die Musik kam von einem Haus am Ende des Parkplatzes. Eher eine Blockhütte. Über dem Eingang stand in Leuchtbuchstaben: Café und Lodenmoden. Die Frau, die in der offenen Tür lehnte, trug ein Dirndl. Und einen Cowboyhut. Sie studierte die Schrift auf dem Bus, www. lachschmiede -köln.de , ohne eine Miene zu verziehen, dann ließ sie ihre Zigarette fallen, zermalmte sie unter ihrem Cowboystiefel.
    »Grüß Gott«, sagte ich. Ich fand es höflich, mich anzupassen. Ich war in München gewesen, in Augsburg und Bayreuth, ich wusste, dass man in Bayern Gott grüßte, so wie man Brötchen als Semmeln bezeichnete und Frikadellen als Fleischpflanzerl.
    »Können Sie mir sagen, wie ich nach Neuenthal komme?«
    »Jo, freili.«
    Die Kette mit dem kleinen Kreuz in ihrem Ausschnitt war verrutscht, und sie justierte sie neu, platzierte das Kreuz passgerecht in den Spalt zwischen ihren Brüsten. Unwillkürlich dachte ich an alte Heimatfilme. Berghänge, Schluchten, Gipfelkreuze im Nebel.
    »Wo mechstn hi? Wos fir a Straß?«
    »Wie bitte?«
    Sie kam noch einen Schritt näher, und ich gab mir Mühe, nicht prüfend in ihren Ausschnitt zu starren. Ich verstand mich auf Busengrößen. Aus persönlichen Gründen. Mir war, was niemand begreifen wollte, meine etwas zu üppig geratene Oberweite unangenehm. Über die Jahre hatte ich Bezeichnungen dafür gesammelt, in den verschiedensten Sprachen: Milchbar, Big Boobs, Airbags, Grand Balcon, oder niedlich und etwas verklemmt auf Holländisch: de coemkes op de kast. Was so viel hieß wie »die Schälchen auf dem Schrank«. Und diese Frau hatte Schüsseln auf dem Schrank.
    »Wuist zur Seestraße, ha? Wennsd mogst, konnst glei do stehn bleim, Platz is gnua.«
    »Entschuldigen Sie, könnten Sie das noch mal …«
    »Kannst glei do stehn bleim, hosd mi?«
    Ich war müde. Wollte endlich ankommen. Auf Bruce war auch kein Verlass. Ich löste meinen Blick von ihrem Ausschnitt und sah ihr fest in die Augen. »Do you speak English?«
    Einen Moment war es still. Nur das Plätschern, das Rauschen der Bäume und die Musik vom Café. Sie nahm den Hut ab und fuhr sich durch die kurzen Haare. Dann lächelte sie, streckte die Hand aus.
    »Du möchtest zum Haus von der Mirl, stimmt’s?«, sagte sie in bestem Hochdeutsch. »Ich bin Therese. Wir sind Nachbarn.«

    Das Haus war überraschend groß und hätte hervorragend in jeden alten Heimatfilm gepasst, die Fensterläden standen offen, und in den Blumenkästen auf dem Balkon blühte es rosa, rot und weiß. Die Tür, hatte Therese gesagt, sei nicht abgeschlossen, ein Schlüssel hänge am Haken im Flur. Einen Moment hatte sie mich angesehen, die Augen zusammengekniffen, als wollte sie noch etwas sagen, hatte es sich aber dann doch anders überlegt, die Arme vor ihrem Grand Balcon verschränkt, und war wieder ins Bayrische verfallen: »Geh erst mal eini, nacha schau ma weida.«
    Während ich in meinen neuen Peeptoes – blau gestreift, leider etwas eng – über den Kiesweg eierte, fragte ich mich, ob Therese tatsächlich gesagt hatte, dass ich eingehen sollte. Wovon ich gar nicht so weit entfernt war, denn es war brüllend heiß, mein prallgefüllter Lederrucksack klebte mir am Rücken, die beiden schweren Rollkoffer bockten im Kies. Ich sehnte mich nach einer Dusche und verfluchte nicht zum ersten Mal, dass Christiane mich hierhergeschickt hatte, statt sich selbst um ihre rätselhafte Erbschaft zu kümmern. Eine Erbschaft, die noch nicht einmal sicher war. Sie hatte es selbst gesagt.
    »Ach, Schorschelchen, irgendwo muss das Testament sein, in einer Schublade oder unter einer Matratze. Beim Notar ist es nicht. Halt die Leute vom Freizeitpark eben hin, bis du es gefunden hast.«
    »Warum fährst du nicht selbst? Oder wartest, bis alles geregelt …«
    »Weißt du, wie lang das dauern kann? Die Leute von
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