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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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der Fun & Leisure GmbH wollen kaufen. Sofort. Ich brauch das Testament, ich bin sicher, es gibt eins. Und du weißt doch, ich kann nicht weg, die Kulturmesse und der Ärger wegen Mirko … Schorschelinchen, das ist ein Notfall!«
    Christiane nannte mich nur in Ausnahmesituationen Schorschelinchen, im Falle geplatzter Premieren, anstehender Steuerprüfungen oder zu Ende gegangener Vorräte ihres Lieblingsweins. Und sie hatte ernst ausgesehen, auf ihrer Stirn die steile Falte, die jede Make-up-Schicht zum Bröseln brachte, sogar ihre Augenbrauen hatten ihre Contenance verloren.
    Aufatmend stellte ich die Koffer im Schatten des Vordachs ab und zog meine engen Schuhe aus. Die Haustür war aus Holz, mit einem anheimelnd altmodischen Fenster aus mattem Glas, das Dämmrige dahinter versprach Kühle.
    »Home, sweet home«, murmelte ich, drückte die schwere Messingklinke herunter und trat in einen dunklen Flur.
    Worüber ich gefallen war, konnte ich im ersten Moment nicht sagen. Auf meinem Hintern sitzend, mit schwirrendem Kopf, erkannte ich nur Schatten, Umrisse von Möbeln, Aufgestapeltes an Wänden und im Licht, das von draußen hereinfiel, tanzenden Staub. Sehr viel tanzenden Staub, der sich langsam, beinahe graziös, wieder auf Kommoden, Kisten, Stapeln niederließ. Ich zog mich an einem Stuhl hoch. Und wünschte mir im nächsten Moment, ich hätte es nicht getan. Der Boden unter meinen bloßen Füßen fühlte sich klebrig an, und eine Weile blieb ich schwer atmend stehen, unfähig, einen Schritt weiter ins Ungewisse zu unternehmen, während meine Umgebung nach und nach Konturen annahm. Woran ich sie gern gehindert hätte. Jetzt sah ich, worüber ich gefallen war: ein Frosch aus Ton, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, unter einer schmiedeeisernen Krone. Er lag inmitten seiner tönernen, ebenso grinsenden und schmutzverklebten Kollegen, die sich ihren Platz mit Tonschwänen, Porzellanschnecken, Blumentöpfen, Gießkannen und einer Sammlung weiterer Dekostücke für Haus und Garten teilten, deren Ausmaß ich noch nicht abschätzen konnte. Dort, wo das Licht zum Glück nicht mehr hinreichte, erahnte ich eine Treppe, halb zugestellt mit Kartons und überquellenden Plastiksäcken. All meine inbrünstigen Wünsche, wenigstens zwei Zentimeter über dem klebrigen Boden schweben zu können, nützten nichts, ich biss die Zähne zusammen, tastete mich so vorsichtig wie möglich zurück zur Tür, suchte nach einem Lichtschalter. Obwohl ich jetzt schon wusste, dass ich es bereuen würde, wenn ich ihn fand.
    Zwei Stunden später hatte ich im, gelinde gesagt, übermöblierten Flur etwas Platz geschaffen, hatte herumstehende Stühle und Hocker gestapelt, Zeitschriftenberge abgetragen, altersschwache Stehlampen und die sperrigsten Gartendekorationsstücke nach draußen gebracht und war bis zu einem großen Raum am Ende des Flurs vorgedrungen. Jemand, Therese vielleicht, hatte hier Sessel und herumstehende Gegenstände mit Bettlaken abgedeckt. Auf dem Boden waren Zeitungen ausgebreitet, als hätte jemand beabsichtigt, zu renovieren, es aber angesichts der überall herumstehenden und -liegenden Nippesfiguren aufgegeben. Von sämtlichen freien Flächen lächelten Madonnen mit halbnackten Jesuskindern, neben angestaubten Engeln, Märchenfiguren, Zwergen und norwegischen Trollen, innig miteinander verbunden durch graue, brüchige Fäden. Eindeutig Spinnweben! Mein Verhältnis zu Spinnen ließ sich in einem Satz zusammenfassen: Nur eine tote Spinne ist eine gute Spinne. Oder, in einer für Tierfreunde verträglicheren Version: Ihr lasst mich in Ruhe, dann lass ich euch in Ruhe. Aber genau das war hier nicht möglich. Dankbar für die Kampfkleidung, die ich mittlerweile angelegt hatte – alte Leggins, Turnschuhe und eine Regenjacke –, ging ich zwei zögerliche Schritte näher heran. Diese Spinnweben waren eindeutig Altbau, beruhigte ich mich, unsaniert, eine Zumutung für Spinnenfamilien, die Wert auf wenigstens ein Minimum an Wohnkomfort legten. Für bestimmt zehn Sekunden tröstete mich dieser Gedanke. Bis mir einfiel, dass ein verfallender Slum voller aggressiver Spinnen mit schlimmer Kindheit noch viel bedrohlicher wäre. Zum Äußersten entschlossen griff ich nach einer der vielen herumstehenden Reisigruten, fuhr damit durch die Spinnweben, die Augen geschlossen, gefasst auf krabbelnde Beine, die dicke, schwarze, behaarte Leiber trugen. Aber nichts tat sich. Aufatmend legte ich die Rute beiseite, sammelte im Taumel des Sieges
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