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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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der SS-Uniform von Brechreiz gepackt. Da war er nun, eingekeilt zwischen teils
wehklagenden, teils stumm und apathisch vor sich hinstarrenden Geschöpfen, jedes
von ihnen ein Stück im Mosaik des Schreckens, das er, der Buchhalter des Todes,
entworfen hatte. Allein, es sollte noch schlimmer kommen. Immer neue Schreckensgestalten
drängten herzu, bleich, ausgezehrt, abgemagert bis auf die Knochen. Und dann war
da plötzlich diese Stimme, laut, salbungsvoll und mit einem Schuss Ironie: »Kein
Grund zur Aufregung«, tönte es über die Köpfe der Todgeweihten hinweg, »euch wird
kein Haar gekrümmt werden!« Eichmann wusste es besser. Wusste, was hier und heute
geschehen und die Welt, in der er lebte, für immer verändern würde.
    Und dann
geschah es. Ein beißender, ätzender, in Mund und Nase dringender und die Atemwege
lähmender Geruch erfüllte den Raum. Panik brach aus. Panik, die auch ihn, den SS-Obersturmbannführer,
erfasste. Eichmann nahm die Ellbogen zu Hilfe, drückte, schob, stieß, fluchte, was
das Zeug hielt, brüllte. Vergebens. Der Weg zur Tür war ihm versperrt. Die Menschen
ringsum rührten sich nicht, starr und steif wie Basaltsäulen.
    Doch halt
– was war das? Nach Luft hechelnd, fuhr Eichmann herum. Und wurde starr vor Schreck.
    Urplötzlich,
ohne dass die Tür einen Spalt weit geöffnet worden wäre, begannen sich die Reihen
der Todgeweihten zu lichten. Einer nach dem anderen verschwand, verflüchtigte sich,
schien sich buchstäblich in Nichts aufzulösen. Männer, Frauen, Greise, Kinder, einer
nach dem anderen, einfach so.
    Einer nach
dem anderen, bis auf ihn, der nackt, keuchend und nach Atem ringend in der menschenleeren
Gaskammer stand und den Tod, der es an diesem Tag nicht eilig hatte, mit schreckgeweitetem
Blick herbeisehnte.
     
     
    E N D E

Post mortem
     
    ›Noch heute beschäftigt sich der
Bundestag mit dem Fall Eichmann. So diskutierte das Plenum im Januar 2011 über die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, bislang zurückgehaltene Akten des Bundesnachrichtendienstes
über Adolf Eichmann teilweise offenzulegen. »Solange wir die Vergangenheit und unsere
Verantwortung aus der Frühzeit der Bundesrepublik Deutschland nicht lückenlos aufarbeiten, wird uns die Geschichte des Nationalsozialismus immer wieder einholen « [56] , betonte der Grünen-Abgeordnete
Jerzy Montag. Vergangene Woche hat das israelische Staatsarchiv zahlreiche geheime
Dokumente zu Entführung und Strafverfahren Eichmanns im Internet veröffentlicht.‹
     
    Aus: Eva Goldfuß, Im Haus der
Gerechtigkeit [Das Parlament Nr. 15   /  11.4.2011
(Beilage ›Aus Politik und Zeitgeschichte‹)]

Meinungen und Kommentare
     
    ›Die amerikanischen Juden hatten
zu dieser Zeit (Anfang der 50er-Jahre, Anm. d. Autors) wahrscheinlich andere Sorgen.
Die Israelis hatten kein Interesse mehr an Eichmann, sie mussten sich im Überlebenskampf
gegen Nasser behaupten. Die Amerikaner hatten kein Interesse mehr an Eichmann, sie
mussten sich im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion behaupten. Ich hatte das Gefühl,
mit einigen wenigen gleichgesinnten Narren vollkommen alleine zu sein.‹
     
    (Aus: Simon Wiesenthal, Recht,
nicht Rache , Frankfurt / M. · Berlin
1988, S. 105)
     
     
    ›Die traurige Wahrheit ist, dass
Eichmann von einem blinden Mann entdeckt wurde, und dass der Mossad mehr als zwei
Jahre benötigte, seine Geschichte überhaupt ernst zu nehmen und selbst initiativ
zu werden.‹
     
    (Aus: Zvi Aharoni / Wilhelm
Dietl, Der Jäger. Operation Eichmann: Was wirklich geschah , Stuttgart 1996,
S. 126 f.)
     
     
    ›Was die israelischen Geheimdienste
betraf, so wurde Eichmann jahrelang nicht intensiv gesucht, weil unsere beschränkten
Ressourcen erst einmal gegen die feindseligen Nachbarstaaten und ihre Armeen gerichtet
waren. Die zweite Priorität lag bei der geheimen Organisation der Selbstverteidigung
und der Auswanderung von Juden aus islamischen Staaten. Das verdrängte lange Zeit
die Suche nach Kriegsverbrechern. Und dann gab es noch persönliches Versagen. Bekanntlich
hatte Isser Harel angeordnet, die Akte mit Eichmanns wahrer Adresse zu schließen.
Er misstraute den Angaben Lothar Herrmanns.‹
     
    (a.a.O., S. 129)
     
     
    ›1957 schrieb der Rentner Lothar
Herrmann, ein Jude aus Buenos Aires, dem Generalstaatsanwalt von Hessen in Frankfurt
am Main, Fritz Bauer [57] ,
dass Eichmann in Olivos, einem Vorort von Buenos Aires, in der Chacabuco-Straße
4261 lebe. Bauer gab die Information an den Chef des israelischen
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