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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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seine Entscheidung
getroffen. Die einzig mögliche, welche ihm offenblieb. Stand doch fest, dass seine
Häscher erst dann aufgeben würden, wenn sie ihn aus dem Weg geräumt hatten. Diesen
Triumph wollte und würde er ihnen nicht gönnen.
    Vor dem,
was gleich passieren würde, war ihm nicht bange. Dank der Schmerztabletten, welche
reichlich Morphium enthielten, war es ein Leichtes gewesen, einen ganz speziellen
Cocktail zu mixen. Ein Gebräu, das ihm garantiert keine Qual bereiten und dafür
sorgen würde, dass er sanft entschlummern würde.
    Der Würfel
war gefallen, egal, was danach kommen würde. Sichtlich entspannt, legte Rosenzweig
seine Kleidung ab und schlüpfte in die Sträflingsmontur, welche er all die Jahre
über in seinem Versteck aufbewahrt hatte. Dann heftete er den gelben Stern an die
Brust, ein Relikt aus den Tagen, die er für immer überwunden zu haben glaubte.
    Kurz darauf,
zwei Minuten nach Mitternacht, war es vollbracht. Der Mann, welcher Theodor Morell
genannt wurde, sah sich um. Gut drei auf zwei Meter, nicht viel mehr als ein Verschlag.
Samt Liege, Tisch und wackligem Stuhl. Und einer Gardine, die er fest zugezogen
hatte. Mit Teerpappe verkleidet, zugänglich durch eine Tapetentür.
    Der Ort,
an dem er sein Leben beenden würde.
    Und so geschah
es auch. ›Ah, tutti contenti!‹ vor sich hinsummend, nahm Rosenzweig auf seiner alten
Pritsche Platz. Dann stürzte er die Mixtur, welche er hergestellt hatte, auf einen
Zug hinunter, legte sich auf die Matratze und schloss die Augen.
    Der Tag,
an dem David Rosenzweigs Rendezvous mit dem Tod stattfand, war gerade erst angebrochen,
und er war neugierig, wohin ihn sein Weg führen würde.

26
     
    Gefängnis in Ramla / Israel │ 00.02 h
     
    Zehn vor zwölf. Und vom Henker,
auf den er treffen würde, noch nichts zu sehen.
    Adolf Eichmann,
Insasse von Trakt 1 im ersten Stock des Gefängnisses von Ramla, tat alles, um seine
Nervosität zu verbergen. Nach über zwei Jahren in israelischem Gewahrsam und einem
Prozess, der weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, war ihm dies zur zweiten Haut
geworden. Haltung bewahren, und sei es auch im Angesicht des Todes, den Kameraden,
die sein Schicksal verfolgten, ein Beispiel geben, den verhassten Juden nicht die
Genugtuung eines am Boden zerstörten und um Gnade winselnden SS-Obersturmbannführers
verschaffen. Das hatte er sich vorgenommen. Und das hatte er dank seiner Festigkeit
auch erreicht. Ein Mann seines Schlages ließ sich nicht in die Knie zwingen. Von
nichts und niemandem auf der Welt.
    Allen Versuchen,
das Gegenteil unter Beweis zu stellen, zum Trotz.
    Nicht etwa,
dass die Haft spurlos an ihm vorübergegangen wäre. Tag für Tag von einem Aufpasser
beobachtet zu werden, von dem ihn nur ein paar Gitterstäbe trennten, zerrte an den
Nerven. Fast so sehr wie das Deckenlicht, welches während der Nacht brannte. Das
Wiedersehen mit seiner Frau, von der er sich vor gut einem Monat verabschiedet hatte,
nicht zu vergessen. Eine schwierige, beileibe jedoch nicht ausweglose Situation.
Eichmann erhob sich und wanderte unstet hin und her. Die einzige Gefühlsregung,
zu der er sich hatte hinreißen lassen, bestand darin, die Hand auf die Scheibe zu
legen, die ihn von Vera trennte. Genau dorthin, wo diejenige seiner Frau ruhte.
Davon abgesehen hatte er Haltung bewahrt, an seinen Memoiren geschrieben, Eingaben
formuliert, sich mit Servatius, seinem Anwalt, beraten. Kühl, sachlich, unaufgeregt.
Genau so, wie man es von einem SS-Offizier erwarten konnte.
    Anzeichen
von Reue? Schuldgefühle? Gewissensbisse gar? Mitnichten. Er, Adolf Eichmann, mittlerweile
56 Jahre alter Massenmörder, war sich selbst treu geblieben. Vor Gericht hatte er
sein Bedauern geäußert, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Schuld an seinem und
dem Schicksal all jener, die er auf dem Gewissen hatte, waren andere. Allen voran
Hitler, Himmler, Heydrich und wie sie sonst noch alle hießen. Er selbst war nur
ein kleines Glied in der Kette gewesen. Das ausführende Organ sozusagen. Von daher
war er frei von jeglicher Schuld und, wie er sich selbst gebetsmühlenartig vorsagte,
frei von den Einflüsterungen jenes Feiglings, der sich Gewissen schimpfte.
    Wenn da
nur nicht die vergangenen drei Nächte gewesen wären. Eichmanns Mundwinkel zuckte,
und ein resignierter Ausdruck stahl sich in sein Gesicht. Die von Herzrasen, wirren
Träumen und Schweißausbrüchen begleiteten Stunden, in denen er sich auf seiner Pritsche
gewälzt und den Tag, an dem er
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