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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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geschadet hat es mir nicht. Im Gegenteil.« Die Hände an der Hüfte, ließ
Helen Fitzpatrick ihrem Hohn freien Lauf. »Ich habe ihn mir dienstbar gemacht, nicht
umgekehrt. Und soll ich dir was sagen? Der Trottel war wie Wachs in meinen Händen.«
Sydows Schwester machte einen Schritt nach vorn. »Du verstehst, was ich damit sagen
will? Hüte dich davor, mir in die Quere zu kommen, Tom. Oder besser: Pass auf, dass
du uns nicht in die Quere kommst. Es täte mir leid, dir eine Lektion erteilen
zu müssen. Oder deiner Familie. Unter uns, Tom: Wenn du schlau bist, packst du deinen
Kram und siehst zu, dass du von hier verschwindest. Wenn nicht, setzt du dein Leben
aufs Spiel. Du weißt gar nicht, wie viele Leute es gibt, die bereit wären, dich
zu …«
    Weiter kam
Helen Fitzpatrick, geborene von Sydow, nicht mehr. Bleich vor Entsetzen, fuhr ihre
Hand an die Brust, während ein Schuss die nächtliche Stille durchbrach. Einen Blick
im Gesicht, der zwischen Verblüffung und Zorn schwankte, geriet sie ins Taumeln,
drehte sich um die eigene Achse und wich Schritt für Schritt zurück, so weit, bis
sie am Ende des Bootsstegs angelangt war.
    Unfähig,
die Geschehnisse nachzuvollziehen, sah Sydow mit angehaltenem Atem zu. Alles wirkte
so unwirklich, so entsetzlich, so widersinnig, dass er sich zunächst in einem Albtraum
wähnte. Doch weit gefehlt. Die Frau, welche auf den Rand des Bootsstegs zutaumelte,
war kein Hirngespinst, es war seine Schwester, ein Mensch aus Fleisch und Blut.
    Es war ein
Geräusch, das ihn aus den Gedanken riss, ein Geräusch, das entsteht, wenn ein Körper
auf dem Wasser aufschlägt. Auf einmal hellwach, streifte Sydow die Schuhe ab, riss
sich das Jackett vom Leib, schnappte nach Luft, nahm Anlauf – und tauchte in die
Fluten ein.
    Doch er
kam zu spät.
    In dem Körper,
den er wenige Sekunden später zu fassen bekam, steckte kaum noch Leben, und als
er an die Oberfläche emportauchte, erlahmte der Griff, mit dem sich Agnes von Sydow
an ihren Bruder geklammert hatte.
     
    *
     
    »Keine Angst, Thomas!«, sprach Abigail
Wentworth mit tonloser Stimme, den Blick auf den Leichnam gerichtet, der in Sichtweite
des Bootssteges auf dem Wannsee trieb. Der Wind hatte aufgefrischt, und die Wellen,
welchen er wieder Leben eingehaucht hatte, trieben die Tote wie Treibgut vor sich
her. »Meinetwegen wirst du keine Scherereien bekommen.«
    »Das war
nicht mein erster Gedanke, Mutter.«
    »Ich weiß,
mein Sohn.« Sydows Mutter seufzte gequält auf. »Glaub mir, ich hatte keine Wahl.
Wenn etwas Zeit ins Land gegangen ist, wirst du mich verstehen.«
    Immer noch
wie gelähmt, wandte sich Sydow ab und starrte auf den zusehends stürmischeren See
hinaus. »Kannst du mir verraten, was ich jetzt …«, flüsterte er und wurde, bevor
er geendet hatte, unterbrochen.
    »Nichts.«
    »Nichts?
Was soll das heißen?«
    »Das soll
heißen, mein Sohn, dass ich umgehend die Koffer packen werde.«
    »Und dann?«
    »Dann werde
ich schnellstmöglich nach England zurückkehren!«, versetzte die alte Dame, wandte
sich ebenfalls ab und begab sich auf den Rückweg zum Ufer. Dort angekommen, drehte
sie sich noch einmal um, den Stock in der Linken und das eisgraue Haupt in die Höhe
gereckt. Und rief: »Falls du glaubst, mich wegen Mordes verhaften zu müssen, tu
dir keinen Zwang an. Falls nicht, lass mich einfach meiner Wege ziehen. Du wirst
mich nie mehr zu Gesicht bekommen, das verspreche ich dir!«
     
    *
     
    Wie lange Sydow am Rande des Bootssteges
ausgeharrt hatte, wusste er hinterher nicht mehr. Alles, woran er sich erinnern
konnte, war, dass er die Mordwaffe in hohem Bogen ins Wasser geschleudert und sich
wegen der Dummheit, auf die er verfallen war, schwere Vorwürfe gemacht hatte. Hätte
er nicht erwähnt, wo sich die Pistole befand, wäre seine Mutter nicht zur Mörderin
geworden. So einfach war das.
    Und so niederschmetternd.
    Doch all
das zählte nicht mehr. Jetzt zählte nur noch eins, nämlich das Unheil, welches ihm
und seiner Familie drohte, abzuwenden.
    Und so kam
es, dass Tom Sydow, ehemaliger Hauptkommissar der Kripo Berlin, die Taue löste,
mit denen die Motorjacht am Steg vertäut war, seine Hose auszog, an Bord kletterte,
den Motor anließ und auf die Mitte des Wannsees zuhielt.
    Kurz darauf,
knapp 200 Meter vom Ufer entfernt, stellte er den Motor wieder ab, holte tief Luft,
trat an die Reling – und stürzte sich kopfüber in den See.
    Es war nicht
leicht, den Wellen zu trotzen, und es war nicht leicht, dem Leichnam
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