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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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einer wach, froh, allein und ungestört zu sein.
    Da es ihn
nicht mehr am Wohnzimmerfenster hielt, hatte sich Sydow auf die Terrasse begeben.
Lea war vor zehn Minuten ins Bett gegangen, Vroni kurz nach ihrem Eintreffen. Die
Erlebnisse der vergangenen Tage hatten sich ihr tief eingeprägt, und es würde Zeit
brauchen, bis sie wieder die Alte war.
    Was seine
Mutter betraf, hatte Sydow mit Engelszungen geredet, um ihren Zorn zu besänftigen.
Geglückt war ihm dies zunächst mehr schlecht als recht, und wieder einmal war es
Lea gewesen, der es gelang, die Wogen zu glätten. Ihr Vorschlag, sie möge die Nacht
im Haus ihres Sohnes verbringen und am nächsten Morgen gemeinsam mit seiner Familie
frühstücken, war dankbar angenommen worden, und es schien, als sei die Harmonie
wiederhergestellt.
    Das war
sie freilich nicht, und niemand wusste das besser als Sydow, der auf der Terrasse
hin und her stapfte, dann und wann stehen blieb und mit sorgenvoller Miene Richtung
Seeufer blickte. In knapp zehn Minuten würde es zu einer Zusammenkunft kommen, um
die er nicht zu beneiden war. Ein Tag, wie er turbulenter nicht hätte sein können,
neigte sich dem Ende zu, und was ihn anging, war der Bedarf an unliebsamen Begegnungen
gedeckt.
    Ein Zurück
gab es freilich nicht. Er musste den Tatsachen ins Auge sehen, so unbegreiflich
sie auch erscheinen mochten. Bei der Frau, mit der er telefoniert hatte, handelte
es sich um seine Schwester. Daran gab es nichts zu rütteln.
    Was also
tun? Was tun, wenn jemand, den man für tot hielt, urplötzlich auftauchte und ein
undurchsichtiges Spiel zu spielen begann? Was, wenn es sich dabei um die eigene
Schwester handelte, um jemanden, den er schon ewig nicht mehr gesehen hatte?
    Sydow war
wie vor den Kopf gestoßen, und es war ihm schleierhaft, was Agnes mit ihrem Vorgehen
bezweckte. Er ahnte zwar, womit es zusammenhing, wehrte sich jedoch nach Kräften
gegen den Verdacht, der ihn beschlich. Tatsache war, dass Agnes nichts mit ihm zu
tun haben wollte, sonst hätte sie sich bei Tante Lus Beerdigung zu erkennen gegeben.
Über die Gründe, weshalb sie dies unterlassen hatte, konnte man nur spekulieren,
aber da sich die Dinge nun einmal so entwickelt hatten, erschien es ihm sinnlos,
darüber nachzudenken.
    Am Rand
der Terrasse postiert, von wo aus sich einem bei Tag ein herrlicher Blick eröffnete,
runzelte Sydow die Stirn und lauschte in die Dunkelheit hinein. Außer den Wellen,
die sich am Bootssteg brachen, konnte er kein Geräusch ausmachen, selbst der Wind,
so schien es, hielt den Atem an. »Mist, verdammter!« Sydows Unruhe, welcher er durch
einen Fluch Luft verschaffte, wuchs. Langsam fragte er sich, ob es richtig war,
was er da tat. Eine Frage, die er sich heute nicht zum ersten Mal stellte.
    Im Begriff,
seine Wanderung wieder aufzunehmen, horchte Sydow plötzlich auf. In der Ferne ertönte
ein Geräusch, ähnlich dem von Motorbooten, wie es sie hier zu Dutzenden gab. Längst
nicht sicher, ob es sich um die zu erwartende Person handelte, stellte er sein Martiniglas
auf den Tisch und machte sich auf den Weg zum Steg. Dort eingetroffen, verspürte
er ein flaues Gefühl im Magen und blickte sich nach allen Seiten um. Nichts. Sydow
konnte sich eines Kopfschüttelns nicht erwehren. Dass er begann, Nerven zu zeigen,
war neu für ihn. Aber es hielt ihn nicht davon ab, den Bootssteg zu betreten und
der Motorjacht, deren Umrisse aus der Dunkelheit auftauchten, entgegenzugehen.
    Kurz darauf,
innerhalb einer Zeitspanne, die ihm länger als der abgelaufene Tag erschien, standen
sich Bruder und Schwester gegenüber. Keiner der beiden sprach ein Wort, und obwohl
Sydow gewusst hatte, auf was er sich einlassen würde, verharrte er auf der Stelle
und starrte sein Gegenüber an.
    Thomas Randolph
von Sydow, Letzter seines Hauses, erschauderte. Agnes und er waren einander nie
nahegestanden. Das musste man vorausschicken. Trotzdem hatte er damit gerechnet,
dass so etwas wie Wiedersehensfreude aufkommen würde. Schließlich handelte es sich
hier um seine Schwester, trotz allem, was man gegen sie vorbringen konnte.
    Von Freude
war jedoch nichts zu spüren, weder bei ihm noch bei der Frau, deren Silhouette im
Licht der Deckbeleuchtung lange Schatten warf. Dementsprechend kühl fiel die Begrüßung
aus, was Sydow, der vergeblich nach Worten rang, einen heftigen Stich versetzte:
»Tja, so sieht man sich wieder!«, sagte die Frau, die er kaum wiedererkannte, und
dachte offenbar nicht daran, die ihr dargebotene Hand zu
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