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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen
Autoren: Louis Begley
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Manhattan, heiraten werde.
    Wohl wahr, sagte ich, aber da römische Ziffern auch in weniger herausgehobenen Klassen nicht ganz unbekannt seien, sollten wir mit dem Urteil warten, bis wir Mr. Palmer kennengelernt hätten.
    Wir gingen zum Abendessen in die Mensa und sahen danach im University Theater einen albernen Film, den ich vollkommen vergessen habe. Als wir zum Studentenheim zurückkamen, schallte uns der Lärm einer lauten Party über den Flur entgegen. Durch eine offene Tür brüllte jemand, wir sollten auf einen Drink reinkommen. Weil ich Henry beim Essen ausgefragt hatte und nun wußte, daß er sein Abschlußexamen in einer staatlichen Highschool in Brooklyn gemacht hatte, nahm ich an, daß er keine Lust hatte, sich in ein Zimmer voller Kraftmeier aus feinen Internaten zu stürzen. Aber er schien gern bereit, sie kennenzulernen, und wir gingen hinein. Ich trank ein Bier, und dann vertrieb mich der Krach. Im Weggehen sah ich mich nach Henry um. Er hatte einen Drink in der Hand und sah aus, als fühle er sich wohl.
    Am nächsten Nachmittag kam unser dritter Mitbewohner an. Ich war dabei, als er Henry den Ursprung der römischen Drei erklärte, nicht ohne deutlich zu machen, daß es wichtig sei, solche Dinge richtig zu verstehen. Er habedenselben Vornamen und einen Mittelnamen mit demselben Anfangsbuchstaben wie sein Vater und dessen Vater. Darum sei er selbst der dritte; wäre er aber nur nach seinem Vater genannt, ohne einen Großvater oder Urgroßvater mit dem Namen Archibald P. zu haben, dann würde er Archibald P. Palmer Jr. heißen, wie sein Vater, der Oberst; hieße er aber wie sein Großvater, ohne einen Vater namens Archibald P. zu haben, dann wäre er Archibald P. Palmer II . Sein eigener erstgeborener Sohn werde die Zahl IV im Namen führen, das habe er schon beschlossen, und von der Familie Quartus genannt werden. Ich hatte das Gefühl, Archie (so wollte er von uns genannt werden) merkte wohl, daß Henry mehr erwartete als Ausführungen zur gesellschaftlichen Etikette nach Art von Emily Post oder Erika von Pappritz, sich aber vorläufig bedeckt halten wollte.
    Die nächste Entwicklung führte jedoch dazu, daß Henrys erster Eindruck von der herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung Archies sich bestätigen mußte. Archie war dabei, den Inhalt seines Überseekoffers sehr methodisch auf die Kommodenschubladen zu verteilen, blickte dann hoch, streckte sich und fragte, ob es nicht allmählich Zeit für einen Scotch sei. Wir stimmten zu. Er kramte noch etwas in seinem Koffer, holte einige säuberlich zusammengelegte Pullover heraus und brachte ein Lederkästchen mit silbernen Bechern und einem Martini-Shaker zum Vorschein. Der Whiskey befand sich in einer silbernen Taschenflasche, die er aus einer Jackentasche zog. Alle diese Gegenstände, Leder wie Silber, trugen die Buchstaben APP III . Wollt ihr euern Whiskey pur oder mit einem Spritzer Wasser, Leute? fragte er. Ich sagte, ich hätte gern Wasser, worauf er mir den Shaker in die Hand drückte und vorschlug, ich solle welches holen. Als ich mit Wasser aus dem Gemeinschaftsbadezimmer am Ende des Flurs wiederkam, schenkte Archie den Whiskey ein und gab uns die Becher. Wirtranken, während er weiter auspackte. Erstaunliche Sachen kamen zum Vorschein, darunter ein Paar weiche, kniehohe Lederstiefel, die seinem Vater gehört hatten, wie er erklärte, und im Dschungel von entscheidender Bedeutung seien, da sie Knöchel und Waden vor Moskitos schützten; dann ein schwarzer Seidenkimono mit einem auf dem Rücken aufgestickten feuerspeienden Drachen. Auch der habe seinem Vater gehört, der ihn in Hongkong gekauft habe und zu Hause gelegentlich statt Smokingjacke trage.
    Mit einem Blick auf seine alltäglicheren Kleidungsstücke sagte er: Ich weiß ja nicht, ob ihr die Klamotten gut findet, die ihr mitgebracht habt, meine sind jedenfalls nicht das Richtige. Mutter hat sie in Panama City billig machen lassen. Feine Wolle und so, aber schlecht geschnitten. Der Schneider ist beschissen.
    Henry hatte wie gedankenverloren an seinem Whiskey genippt, aber als er das hörte, brauste er auf.
    Scheußlich finde ich mein Zeug, jedes Stück, das ich besitze, schrie er, alles einfach scheußlich.
    Henry bemerkte sofort, daß Archie und ich zusammenschraken. Er entschuldigte sich. Es sei das erste Mal, daß er harten Alkohol probiert habe. Er sei ihm zu Kopf gestiegen.
    Macht doch nichts, sagte Archie. Er schenkte uns nach und ließ sich dann weiter über den Geiz seiner
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