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Ehrensache

Titel: Ehrensache
Autoren: Ian Rankin
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Fenster
auf die Straße gucken, wo über einem Füße und Beine den Bürgersteig entlang gingen. Die Leute
blickten nur selten nach unten. Rebus, dessen eigene Wohnung sich im zweiten Stock eines
Mehrfamilienhauses in Marchmont befand, genoss diese neue Perspektive.
Während andere Männer seines Alters aus der Stadt in Bungalows zogen, fand Rebus es amüsant, zur
Haustür hinunter - statt hinaufzugehen. Das war nicht nur eine Neuheit, sondern
eine Umkehr des Bisherigen, eine wesentliche Veränderung, und daher schien ihm das Leben zurzeit
recht viel versprechend.
Auch Patience war durchaus viel versprechend. Sie drängte ihn, mehr von seinen Sachen zu ihr zu
bringen, »sich häuslich niederzulassen«. Und sie hatte ihm einen Schlüssel gegeben. Also konnte
er, nachdem er das Bier ausgetrunken und sein Auto überzeugt hatte, die fünfminütige Fahrt zu
wagen, allein in die Wohnung gehen.
Sein Anzug lag frisch gereinigt im Gästezimmer auf dem Bett.
Da lag auch Lucky. Genauer gesagt lag Lucky auf dem Anzug, rollte sich darauf herum, zupfte mit
den Krallen Fäden, verteilte seine Haare - markierte sein Revier. Rebus sah vor seinem geistigen
Auge Rasputin, als er die Katze vom Bett jagte. Dann nahm er den Anzug und trug ihn ins
Badezimmer. Bevor er sich ein Bad einließ, schloss er die Tür hinter sich ab.
Der Wahlkreis North und South Esk war groß, aber nicht sehr dicht besiedelt. Die Einwohnerzahl
wuchs jedoch ständig. Neue, dicht gedrängte Wohnsiedlungen entstanden am Rande der
Bergarbeiterstädte und Dörfer. Typische Pendlersiedlungen. Ja, die Region veränderte sich. Neue
Straßen, sogar neue Bahnhöfe. Eine neue Sorte Menschen, die neuartige Jobs ausübten. Brian Holmes
und Nell Stapleton hatten sich jedoch entschlossen, ein altes Reihenhaus im Herzen eines der
kleinsten Dörfer zu kaufen, in Eskwell. Letztlich hatte diese ganze Entwicklung natürlich mit
Edinburgh zu tun. Die Stadt wuchs, breitete sich immer weiter aus. Es war die Stadt, die die
Dörfer verschlang und neue Siedlungen hervorbrachte. Die Leute zogen nicht nach Edinburgh;
die Stadt kam zu ihnen...
Doch als Rebus endlich Eskwell erreichte, war er nicht in der Stimmung, darüber nachzudenken, wie
sich das Leben auf dem Lande veränderte. Er hatte Probleme mit dem Anlassen des Wagens gehabt. Er
hatte immer Probleme mit dem Anlassen des Wagens. Doch in Anzug, Hemd und Krawatte war es ein
bisschen schwierig, unter der Motorhaube herumzufummeln. Wenn irgendwann am Wochenende schönes
Wetter war, würde er den Motor mal richtig durchchecken. Ganz bestimmt. Und dann würde er
aufgeben und einen Abschleppwagen rufen.
Das Haus war leicht zu finden. Eskwell konnte sich einer Hauptstraße und einiger weniger
Seitenstraßen rühmen.
Rebus ging den Gartenpfad entlang und trat auf die Eingangsstufe, eine Flasche Wein in der Hand.
Mit der freien Hand klopfte er an die Tür. Sie ging beinahe sofort auf.
»Sie sind spät dran«, sagte Brian Holmes.
»Das steht mir rangmäßig zu. Ich darf zu spät kommen.«
Holmes bat ihn in den Flur. »Ich hab doch gesagt: informell, oder?«
Rebus war einen Augenblick verdutzt, dann begriff er, dass die Bemerkung seinem Anzug galt. Nun
fiel ihm auch auf, dass Holmes selbst ein offenes Hemd und Jeans trug, dazu ein Paar Mokassins an
den nackten Füßen.
»Ach so«, sagte Rebus.
»Macht nichts. Ich gehe kurz hoch und zieh mich um.«
»Wozu? Das ist Ihr Haus, Brian. Sie können hier tun, was Sie wollen.«
Holmes nickte vor sich hin und sah plötzlich sehr zufrieden aus. Rebus hatte Recht: Das war sein
Haus. Nun ja, die Hypothek gehörte ihm... die Hälfte der Hypothek.
»Da entlang«, sagte er und deutete auf eine Tür am Ende des Flurs.
»Ich glaub, ich geh selbst erst mal kurz hoch«, sagte Rebus und überreichte die Flasche. Er
streckte die Hände aus und drehte sie hin und her. Selbst Holmes konnte die Spuren von Öl und
Schmutz sehen.
»Probleme mit dem Auto«, nickte er wissend. »Das Bad ist rechts neben der Treppe.«
»Danke.«
»Und diese Kratzer sehen ziemlich übel aus. Ich würde damit mal zum Arzt gehen.« An Holmes'
Tonfall konnte Rebus erkennen, dass der junge Mann annahm, eine gewisse Ärztin wäre die Urheberin
dieser Kratzer.
»Das war eine Katze«, erklärte Rebus. »Eine Katze, die noch acht Leben hat.«
Oben in dem neuen Bad stellte er sich noch ungeschickter an, als unter seinem alten Auto. Er
spülte das Waschbecken aus, nachdem er es benutzt hatte, stellte dann jedoch
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