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Ehen in Philippsburg

Ehen in Philippsburg

Titel: Ehen in Philippsburg
Autoren: Martin Walser
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Geldschwierigkeiten kennen. Hans dachte: vielleicht hat Büsgen den Schlüssel geliefert. Wenn er den jungen Mann von der städtischen Straßenreinigung ansah, wie er hochaufgerichtet an der Bar saß, ein kühnes, braunes Gesicht, noch straffer als das von Herrn Relow, das schwarze Haar natürlich gelockt, was er aber durch kurzen Schnitt verhinderte, so daß es nur leicht gekrümmt vom Kopf abstand und sich gleich wieder zum Kopf zurückbog, ein prächtiger Kerl! Warum kommen sie nicht auf Büsgen, dachte Hans. Aber er wagte es nicht, seinen Verdacht auszusprechen.
     Schließlich beendete man die Beratung mit dem Ergebnis, man werde für einen der nächsten Abende alle Sebastianer zusammenrufen, um zu einem endgültigen Beschluß zu kommen.
     »Wir haben noch etwas vor«, rief Knut Relow, »und zwar mit Ihnen, Hans Beumann!« Hans erschrak. »Jawohl«, rief jetzt auch Herr Dieckow, »sorgen wir für den Nachwuchs, dann erübrigen sich die Sorgen um diesen Straßenkehrer.« Hans erfuhr, daß er zum »Chevalier« geschlagen werden sollte, und zwar sofort. Lang genug sei er jetzt in Philippsburg und habe sich als ein Mann erwiesen, mit dem was anzufangen sei. (Bloß was, dachte Hans.) Man habe ihn in verschiedener Hinsicht geprüft. Er habe die Probe bestanden. Relow und Dieckow bürgten für ihn. Hans mußte an Klaffs Wachstuchhefte denken. »Eine Spielzeit auf Probe.« Er selbst hatte also, nach der Ansicht all dieser fröhlich auf ihn einlächelnden Herren, so etwas wie eine Probe bestanden. Weil er immer freundlich gewesen war wahrscheinlich, weil er niemanden, und auch sich selbst nicht, umgebracht hatte…
     Bevor Hans sich hätte äußern können – und was hätte er auch sagen sollen, sich weigern gar? Das wäre eine Dummheit gewesen, die meinten es gut, und für ihn war es ja eine Ehre, bitte, er, aus Kümmertshausen, noch kein Jahr hier und schon im vornehmsten Club der Stadt, er konnte sich nur bedanken bei diesen wohlmeinenden Herren –, bevor er auch nur den Mund aufbrachte, war er schon zur Figur des Sebastian geführt worden: die Sebastianer bildeten einen Kreis (sie schienen alle unterrichtet worden zu sein), Cordula und Marga schleppten zwei Kerzen, ein Tablett voller Gläser, eine riesige Kette, einen Pfeil und ein schwarzes Kistchen mit glänzenden Beschlägen herbei. Relow und Dieckow hatten ihre Schlüssel aus den Taschen gezogen. »Wo bleiben die Ehrenjungfern?« rief Relow. Cordula schaute sich rasch um, erschrak und rief und riß dabei zum erstenmal den ganzen Mund auf: »Sophie, Gerdi, was ist los mit euch!« Und winkte so energisch wie es ihr möglich war zur Bar hinauf. Dort lösten sich die beiden Mädchen mürrisch und mit Gesten, die deutlich zeigten, daß sie sich ungern stören ließen, von dem Klumpen, aus dem sichtbar nur Hermann selbst herausragte. Sie kamen herunter und empfingen von Marga zwei Rosen, die sie sich nachlässig ins Haar steckten. Aber hinter ihnen kamen, von Hermann angeführt, die Eindringlinge. Hans wurde vor Sebastian aufgestellt, mußte einen Pfeil in die Hand nehmen und sich von Cordula eine Kette umhängen lassen. Die Ehrenjungfern wurden ihm an die Seite geschoben. Sie grinsten ihn an. Cordula stand jetzt bewegungslos wie ein Standbild und trug das schwarze Kistchen auf ihren Armen, wie bei Beerdigungen Ordenskissen getragen werden. Relow und Dieckow zogen Pergamente hervor, Hans wußte nicht, wo sie die so plötzlich herbrachten, und begannen abwechselnd zu lesen. Jedem stand ein Sebastianer, mit einer Kerze leuchtend, zur Seite. Das Geflacker der Kerzen warf über die ganze Gruppe einen feierlich-düsteren Glanz. Hans mußte ein paar Sätze nachsprechen, in denen davon die Rede war, daß ein Comes Sebastiensis in allen Lebenslagen zuerst ein Sebastianer sei, daß er jedem in Not befindlichen Sebastianer unter allen Umständen helfen werde, daß er, wann immer es ihm möglich sei, ins Sebastian komme, um hier gute Lebensart zu praktizieren, um hier dafür zu sorgen, daß das Leben lebenswert bleibe und wahre Fröhlichkeit eine bleibende Statt habe. Am Ende dieses feierlichen Wortwechsels nahm Relow das Kistchen aus Cordulas Händen, diese öffnete es und überreichte Hans den Schlüssel, der darin auf samtnem Polster gelegen hatte. Pfeil und Schlüssel seien die Zeichen seiner neuen Würde, solange er sie trage, dürfe er sich eine Ritter vom Orden Sebastians nennen. Gleichzeitig reichte Dieckow ihm eine Urkunde, Marga bot ihm ein Glas an, die
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