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Ehen in Philippsburg

Ehen in Philippsburg

Titel: Ehen in Philippsburg
Autoren: Martin Walser
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Reihe nach über Filme, Schauspieler, Bücher, Ausstellungen, Architektur, Konzerte, Moment, das war eine Möglichkeit, Schallplatten, Rundfunk, Apparate, Gott sei Dank, er hatte das Gespräch, wo er es haben wollte, Apparate, jetzt aber wie, Volkmannapparate, er hatte keine Ahnung wie die Geräte dieser Firma hießen, aber ein Kompliment, zum Kuckuck, ein Königreich für ein Kompliment für Herrn Volkmann, für seine Radioapparate, aber gleich, sonst treibt das Gespräch weiter, die gnädige Frau ist eine herrische und von sprunghaften Einfällen heimgesuchte Gesprächspartnerin, es ist schwer, sie länger als eine Minute bei einem Thema zu halten, ja vielleicht kommt sie später wieder darauf zurück, sicher sogar, sie kommt ja immer wieder auf die paar Themen zurück, also warten wir, die erste Chance ist schon verpatzt, wir sprechen schon wieder vom Realismus in der Kunst, sie lehnt ihn ab, Gott sei Dank, dann kommen wir rascher weg davon, zugegeben, gnädige Frau, bitte, was halten Sie von moderner Musik, plumpe Frage, aber ich brauche sie, diese Frage, Musik, jawohl, jetzt aber Herr Volkmann, Gott sei Dank, ja, was ich sagen wollte: »Die moderne Musik ist den Ingenieuren zu ungeheurem Dank verpflichtet«, das war der erste Satz, den Hans in Richtung auf Herrn Volkmann zu starten vermochte. »Die Erschließung der Ultrakurzwelle, die Herstellung der UKW-Apparate…« Hans wußte nicht mehr weiter, aber auch Frau Volkmann sah ihn nur erstaunt an und ließ ihn hängen, wahrscheinlich, weil sie spürte, daß er ihren Mann ins Gespräch ziehen wollte, dafür sollte er nun ganz schön büßen! Anne aber – und Hans hätte sie dafür gerne geküßt – vollendete die angefangene, aber kläglich auf halbem Weg in der Schwebe hängengebliebene Brücke zu ihrem Vater hinüber und sagte: »Da hat Papa sich große Verdienste erworben, Er hat als einer der ersten UKW-Apparate gebaut.« Herr Volkmann, der inzwischen – er hatte ja nichts anders getan – sein Essen beendet hatte, lehnte sich so weit im Stuhl zurück, daß sein Gesicht sichtbar wurde, ohne daß er seinen Kopf hätte aufrichten müssen, dann ließ er sieb tatsächlich in die Unterhaltung verwickeln. Seine Frau hätte das vielleicht noch gerne verhindert, sie versuchte zumindest mit ziemlich heftigen Sprüngen das Thema Musik und Radio zu verlassen, aber weil weder Anne noch Hans ihr folgten, sah sie sich gezwungen, wieder zurückzukehren: von ihrem Gatten wurde sie dabei mit einem kleinen boshaften Lächeln empfangen. Herr Volkmann schien überhaupt ein Mensch zu sein, der – wie man jetzt sah – zu trocken-ironischen Kommentierungen neigte. Nie sagte er mehr als zwei, drei Sätze hintereinander, aber Hans mußte sich eingestehen, daß jeder dieser Sätze ein Lächeln hervorrief, ein behagliches Gefühl, weil alles so gut formuliert war und alles ohne Heftigkeit geäußert wurde, immer mit dem freundlichsten Abstand. Er schien sich selbst ebensowenig ernst zu nehmen wie die Dinge, über die er sprach. Des öfteren entschuldigte er sich auf die zweideutigste Weise, daß er, der bloße Ingenieur und Kaufmann es überhaupt wage, sich in ein Gespräch zu mischen, das in den Gefilden zu Hause sei, über die seine Frau herrsche; sie sei die Priesterin der Kunst, er baue nur die Kirche, weit übertrieben, mit der Kunst direkt habe er ja gar nichts zu tun, sondern bloß mit der Priesterin, deren Hausmeister oder doch Hausdiener er sich nennen dürfe. Sein kleines Gesicht, jetzt ein einziges Schmunzeloval, drehte er dabei seiner Frau zu, die mit skeptisch herabgelassener Unterlippe die Sätze ihres Gatten prüfte und sie diesmal sogar für so gut befand, daß sie ihm mit ihren schmalen langen Händen, die durch die kostbare Einlegearbeit der roten Fingernägel noch viel länger wurden, über das milchige, weißgelbe Haar strich und »mein guter Arthur« sagte.
     Hans hätte sich am liebsten gleich verabschiedet, aber im Nebenzimmer servierten die Mädchen schon die Bowle. Herrn Volkmann gestattete die gnädige Frau, sich zurückzuziehen, Hans mußte bleiben, mußte trinken. Volkmann hatte noch, bevor er gegangen war, ein paar Sätze über Harry Büsgen gesagt, weil Anne von Hans Beumanns Bewerbung erzählt hatte. Ja, Büsgen, Herr Volkmann hatte sein lippenloses Lächeln gezeigt, bei Büsgen könne man viel lernen, er sei ein kleiner Monarch, ein Illustriertennapoleon, dessen Parfüm man auch noch rieche, wenn man bloß eine Photographie von ihm sehe, aber
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