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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner
Autoren: Angeles Mastretta
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danach weiterginge, wisse allein Gott, der ja immer nur schweige, doch jetzt müsse Juan erst einmal aus der Stadt ausgeflogen werden, denn hier gebe es zu viele Menschen, die ihn überallhin einlüden, und vor denen müsse man ihn schützen.
    Sie verfrachteten ihn an einen Ort, von dem bekannt ist, dass Gestrauchelte dort gut aufgehoben sind. Juan bekräftigte mit seiner Unterschrift seinen Willen, sechs Wochen lang dort auszuharren. Ana nahm ihn in den Arm, als müsste sie sich von einem Baby trennen, das auf dem Fluss ausgesetzt werden soll. Federico klopfte ihm auf die Schulter und sagte »bis dann«, was sich anhörte wie »bis gleich«. Danach fuhr jeder zu sich nach Hause. Ana zu ihrem unerschütterlich toleranten Ehemann, ihren Kindern, die biegsam waren wie Weizenhalme, und ihrem Garten, der ihr Ruhe bedeutete.
    Gegen Oktober kehrte Juan zurück; er sah blendend erholt aus und legte eine nie gekannte, fast weise Milde an den Tag.
    »Sechs Monate sind schon vorbei«, sagte er. »Jetzt bleiben mir noch weitere sechs. Wenn du dann dein Versprechen nicht einlöst, wirst du wortbrüchig und hast kein Herz.«
    Ana fuhr zusammen, aber sie sagte ja, so wie ihr ganzer Körper vom Scheitel bis zur Sohle »ja« sagte. Sie dachte, die Freude, ihn einmal als den zu sehen, der er wirklich war, sei allemal den Verzicht auf den ganzen Frieden ihrer jetzigen Welt wert. Doch damit begann der innere Konflikt, und sie fragte sich, wie sie ihrer Familie bloß beibringen sollte, dass sie sich in eine andere Galaxie verabschiedete, ohne dabei auch nur die Stadt zu verlassen, in der sie lebten.
    Den Anfang machte sie bei ihrer Schwester. Die Frist lief zwar erst in sechs Monaten ab, aber sie wollte ihre Meinung hören, und sie brauchte jemanden, der mitdachte. Die Antwort erfolgte prompt.
    »Keine schlechte Idee, Ana. Zur Abwechslung mal anders herum. All die Mistkerle, die ihre Frau für irgendeine dumme Ziege verlassen, nur weil sie sich langweilen und nicht merken, welch ein Juwel sie zu Hause haben. Gar nicht schlecht, dein Versuch, die Schieflage ein wenig ins Lot zu bringen.«
    »Mein Mann ist auch nicht gerade ein Juwel«, sagte Ana.
    »Solange du ihn nicht für billigen Tand hältst …«
    »Stell dich auf meine Seite.« Ana musste gegen die Tränen ankämpfen, denn die Rolle der Bittstellerin widerstrebte ihr zutiefst.
    »Ich steh doch auf deiner Seite. Nur ist mir nicht ganz klar, welche das ist«, sagte die Schwester.
    An dem Abend entspann sich eine Diskussion, die sich monatelang hinziehen sollte. Sie fragten auch ihre drei besten Freundinnen um Rat. Mal jede einzeln, mal alle zusammen. Es gab kaum noch einen anderen Gesprächsstoff. Nie wurden so viele widersprüchliche Argumente in die Waagschale geworfen. Mal gewann Juan, mal der Ehemann. Mal triumphierte die Vernunft, mal die Verwegenheit, mal hagelte es Schelte, mal Schulderlass, und mal waren sich alle fünf einig in ihrem ablehnenden Urteil, mal stand es zwei gegen zwei Stimmen, und dann wurde Ana in der Mitte zum Zünglein an der Waage. Kein Argument blieb unerwähnt: Wenn sie Juan ziehen ließe, würde sie es nicht ertragen, ihn mit einer anderen Frau zu sehen, sie zittere ja schon allein bei dem Gedanken. Selbstherrlichkeit sei noch schwerer zu bekämpfen als der Alkohol und auf Dauer unerträglich. Das Leben mit ihrem Mann kenne sie schon zur Genüge; der sei ja auch kein Heiliger, obwohl er gefestigter wirke und weniger chaotisch. Der eine sei eher wortkarg, der andere rede zu viel; der eine besitze für einen Mann zwar ungewöhnlich häusliche Qualitäten, dafür reise der andere gerne. Juan sei vielseitig interessiert und habe Spaß an seinen Geschäften. Der eine sei humorvoll, der andere unverbesserlich, aber nur Juan halte sie einen ganzen Abend lang in seinen schützenden Armen wie beim schwersten Unwetter, egal ob es regne oder nicht. Ana würden ihre Kinder fehlen. Ob seine gut oder schlecht erzogen seien. Wo sie Weihnachten verbringen werde. Ob es ihr egal sei, welches der Häuser den größeren Garten habe. Wessen Körpergeruch sie mehr vermissen würde, ob Juans und ob das eher nicht von Belang sei oder doch entscheidend. Das Hauspersonal des einen erledige seine Arbeit ganz unauffällig, während andererseits ihr Herz an all den Dingen ihres Heims hänge. Der eine sei ein Autoliebhaber, der andere liebe die Geschwindigkeit. Der eine sei verfroren wie sie, der andere wärmend wie der Sommer. Hier gebe es die Schwalben auf dem Dach, dort die
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