Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom
Autoren: Frevel
Vom Netzwerk:
zeichneten. Erwähnenswert ist, dass selbst einige fromme christliche Evangelien nicht aufgenommen wurden, obwohl sie die frühen Evangelien theologisch stützten, und zwar weil sie wie die eher umstrittenen Schriften nicht ursprünglich genug waren (diverse Beispiele findet man unter www.earlychristianwriting.com).
    Ein Beispiel für einen apokryphen Text ist das Thomas evangelium. Dort zeichnet sich Jesus als einer aus, der geheimes Wissen verbreitet. Die Wahrheit wird als etwas dargestellt, das du und ich selbst herausfinden müssen. Das Thomasevangelium kann man aus verschiedenen Gründen als kontrovers ansehen. Manche unterstreichen das offensichtlich gnostische Gepräge bei Thomas (das in vielen Punkten von dem abweicht, was wir unter » Christentum « verstehen). Eine Minderheit unter den Theologen glaubt, dass das Thomasevangelium im Vergleich zu dem, was in den biblischen Evangelien steht, womöglich ältere und daher authentischer e V ersionen von Jesu Wort enthält. Die meisten Theologen scheinen inzwischen die Ansicht zu vertreten, das Thomasevangelium, wie es uns heute vorliegt, stamme aus der Zeit um 200 n. Chr.
    In dem Maß, in dem Inhalt und Aussagekraft dieser alternativen Schriften klarer für uns werden, wird man viele Vorstellungen über Jesu Lehre anfechten können. Jesus kann leicht als radikaler und machtkritischer aufgefasst werden, nicht immer konform mit dem späteren Jesusverständnis der Kirche. Das Thomasevangelium enthält Jesu Wort –ohne irgendeine Erzählung oder Rahmenhandlung. Dort steht nichts von der Kreuzigung, von Jesu Tod und Auferstehung, nichts von seinem Leidensweg, seiner Taufe oder vom Abendmahl. Wir finden dort keine Wunder. Einzelne Personen sind der Ansicht, sowohl Q als auch das Thomasevangelium wiesen darauf hin, dass Jesu Tod –sein Opfertod –nicht zum frühen Christentum gehörte, sondern dass diese Dimension auf der Grundlage der Opferriten des Judentums später entwickelt wurde. Da wo die Bibel Gewicht auf unseren persönlichen Glauben legt, lädt uns das Thomasevangelium ein, die Verantwortung für unsere eigene Entwicklung mittels Einsicht und Erkenntnis zu übernehmen (also klassische gnostische Züge). Jesus hatte eine offene Gefolgschaft um sich, die gleichermaßen aus Männern wie Frauen bestand (ein Umstand, den auch Dan Brown in seinem Roman stark hervorhebt). Jesus wurde nicht als Gottes Sohn oder Messias bezeichnet. Abgesehen von den gnostischen Elementen, folgt Thomas dem Sprachgebrauch in koptischen Manuskripten und den Änderungen in Übersetzungen aus dem späten zweiten bis vierten Jahrhundert. Viele Indizien im Text deuten darauf hin, dass Thomas Markus kannte –was die Theorie, das Thomasevangelium sei älter (und damit authentischer) als die Evangelien des Neuen Testaments, schwächt.
    Obwohl die neutestamentlichen Evangelien – im Grunde paradox –streckenweise ungleiche Bilder von Jesus zeichnen, stieß das Jesusbild des Thomasevangeliums bei vielen frühen Christen auf großen Widerstand. Einer der Gründe hierfür könnte sein, dass Thomas Jesus stark als Philosophen beschreibt. Das könnte die frühen Kirchenväter provoziert haben, die danach strebten, die Lehre als einheitlich, maßgeblich, wenn nicht sogar göttlich abzugrenzen –in einer Zeit, in der Glaube und Verständnis der Lehre aus allen Richtungen angegriffen und in Frage gestellt wurden. Es lohnt sich, auch anzumerken, dass der Jesus, den Thomas schildert, den Blick auf das Geistliche gerichtet hat, während der Jesus des Neuen Testaments sowohl Sinn für den Geist als auch für das Handeln besitzt. Der biblische Jesus fordert seine Zeit heraus, der Jesus bei Thomas beantwortet Fragen ohne jeden handfesten Bezug zum Alltag.
    Viele Gläubige stellen sich die Bibel als unveränderliche absolute Größe vor. Die apokryphen Schriften zeigen, dass der biblische Kanon von Menschen geschaffen wurde, ein Ergebnis von eingehendem Abwägen und Auswählen, Redigieren und Auslassen.
    Viele Theologen beharren darauf, dass die apokryphen Schriften nichts anderes » enthüllen « als die Schnelligkeit, mit der die frühe Kirche die richtigen Dokumente für das Neue Testament auswählte. In der Tat zeigen die Funde von Nag Hammadi ( www.nag-hammadi.com ), wie akribisch die Kirchenväter arbeiteten, als es darum ging, potenzielle Schriften für das Neue Testament aufzunehmen oder zu verwerfen. Obwohl die Apokryphen selbstverständlich überhaupt nichts im Neuen Testament negieren können,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher