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Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]

Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]

Titel: Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Autoren: Arena
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Wissenschaftler haben inzwischen errechnet, dass von rund 100 000 irischen Auswanderern 25 000 auf See oder kurz nach Ende der Überfahrt starben, also jeder vierte.
    Zum näheren Verständnis der politischen und gesellschaftlichen Situation jener Zeit und zu Englands Rolle in Bezug auf die irische Massenflucht sei an dieser Stelle daran erinnert, dass der europäische Sklavenhandel erst ein Dutzend Jahre vor Ausbruch der irischen Hungersnot beendet worden war. Und England, einst führend im Menschenhandel, hatte es sich nun zur noblen Aufgabe gemacht, den noch immer tätigen Sklavenhändlern auf See das Handwerk zu legen, und machte Jagd auf diese Schiffe. Für diese Aufgabe scheute die britische Regierung weder Kosten noch Mühe.
    Dagegen zeigte die britische Krone entschieden weniger Engagement, durch gesetzliche Vorschriften auf den Auswandererschiffen der irischen Auswanderer für menschenwürdige Verhältnisse zu sorgen.
    Ein Mitglied des britischen Abgeordnetenhauses berichtete seinen Kollegen, dass der Kapitän eines britischen Schiffes, das im Einsatz zur Unterdrückung des afrikanischen Sklavenhandels im Atlantik kreuzte, ihm gegenüber erklärt habe, dass »die Zustände auf manch einem irischen Auswandererschiff, das er gesehen hat … jenseits aller Beschreibungen sind und bei Weitem die Zustände übertreffen, die auf den von ihm aufgebrachten Sklavenschiffen herrschen«.
    Das Lloyd’s Register, das vornehmlich dem Versicherungszweck diente, teilte britische Schiffe nach genauer Inspektion je nach Alter, Zustand und Hochseetüchtigkeit in drei Klassen ein. Zu den Schiffen der zweiten Klasse gehörten jene, die von Lloyd’s für den Transport von Trockenwaren für untauglich erklärt worden waren, da eine solche Fracht auf hoher See zwangsläufig nass und Schaden nehmen würde. Doch Auswanderer durften die Eigner und Kapitäne dieser Schiffe sehr wohl im Zwischendeck einpferchen. Und während bei Lloyd’s nicht gelistete Schiffe von der britischen Regierung nicht einmal für den Transport von Sträflingen in die Sträflingskolonie (etwa Australien) gechartert werden konnten, hielt man sie doch für die Überfahrt von irischen Auswanderern für geeignet.
    Für Sträflingsschiffe gab es auch strenge Vorgaben, was die Unterbringung und die Verpflegung der verbannten Gesetzesbrecher betraf. Dazu gehörte unter anderem, dass sie während der Überfahrt an drei Tagen der Woche sowie am Sonntag Fleisch erhielten sowie Fleischbrühe an den anderen Wochentagen. Davon konnten Auswanderer nur träumen. Sie erhielten bestenfalls Hungerrationen. Und oft waren die Vorräte, die an sie ausgeteilt wurden, von schlechter Qualität.
    Zwar sah das Gesetz vor, dass ein Hafeninspektor vor Abreise eines jeden Auswandererschiffes den Proviant auf seine Qualität hin prüfte, bevor er die Erlaubnis zum Auslaufen erteilte. Aber die Kapitäne wussten diese Vorschrift trickreich zu umgehen. Entweder steckten sie mit den Inspektoren unter einer Decke oder aber sie nahmen den Hauptteil des Auswandererproviants erst nach der Erlaubnis an Bord, etwa unterwegs auf den Flüssen, die von den Häfen ins Meer führten. Und sogar wenn das bekannt wurde, konnte dagegen nicht eingeschritten werden, weil die Erlaubnis schon erteilt worden war.
    Die irischen Auswanderer, die als steuerzahlende Untertanen der Krone eigentlich das Recht hatten, wie jeder andere Engländer behandelt zu werden, mussten also Zustände auf der Überfahrt ertragen, die noch entsetzlicher waren, als Sträflinge, ja sogar Sklaven auf ihrer Seereise zu erdulden hatten.
    Sogar die London Times, die mit ihren giftigen, antiirischen Artikeln jahrzehntelang den Hass der Engländer auf die Iren geschürt hatte und gewissermaßen das mediale Sprachrohr der Regierung war, konnte nicht umhin festzustellen: »Der schlimmste Horror des Sklavenhandels, den das Empire mit großem Ehrgeiz und ohne Rücksicht auf die Kosten zu unterdrücken versucht, ist durch die Flucht britischer Untertanen von ihren heimatlichen Ufern wieder belebt worden … Die Slums von Kalkutta [im englischen Original wird von dem »Blackhole of Calcutta« gesprochen, A. d. V.} sind ein Ort der Gnade im Vergleich zu den Unterdeckquartieren dieser Schiffe … Doch zur selben Zeit und als Beweis für die Schuld jener, die für all das Elend die Verantwortung tragen, treffen täglich Fremde, etwa Deutsche aus Hamburg und Bremen, in Amerika ein – alle bei guter Gesundheit, widerstandsfähig und frohgemut
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