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E-Book statt Papierkonserve

E-Book statt Papierkonserve

Titel: E-Book statt Papierkonserve
Autoren: Marlies Michaelis
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Leiter, um an ihn heranzukommen, doch das ist so gut wie nie vonnöten. Schließlich nutze ich seit ein paar Jahren für einfache Wissensfragen Wikipedia. Und auch die anderen Bücher im Regal sind zunehmend Relikte einer vergangenen Zeit. Gekauft voller Begeisterung für ein Thema, dann schnell wieder vergessen und doch nicht aussortiert, weil sie ja später noch einmal nützlich sein könnten.
    Mit der Menge an Büchern wuchs auch die Anzahl der Bücherregale. Anfangs waren es noch billige Schraubregale aus Kiefernholz, die nach zwei Umzügen nicht mehr zu gebrauchen waren, weil sie dann dazu neigten, sich selbst abzubauen. Auch Regale aus Metall habe ich ausprobiert. Die waren zwar äußerst stabil, trugen aber nicht unbedingt zur warmen Atmosphäre eines Wohnzimmers bei. Schließlich entschied ich mich für eine Schrankwand aus Buche furnier, die sowohl wohnlich als auch stabil ist und mit quadratischen Fächern weniger monoton wirkt als bloße Regale. Zum Abstauben gibt es ja inzwischen Mikrofaser-Tücher und kleine Staubwedel, die man auf Plastikgriffe schiebt und die auch feinste Ritzen erreichen.
    Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, die Bücher nicht nur abzustauben, sondern auch ab und an einige auszusortieren. Das ist notwendig, da ich seit ein paar Jahren zunehmend leichtere Kost wie Thriller, historische Romane und locker geschriebene Sachbücher bevorzuge. Die habe ich meist in wenigen Tagen durchgelesen und dann schauen mich diese Fünf-Zentimeter-Buchrücken herausfordernd an – so, als wollten sie sagen: „Schaff Platz für uns!“ Sämtliche Versuche, über Angebote wie tauschticket.de oder örtliche Secondhand-Händler die Regale zu entlasten, waren nicht von Erfolg gekrönt. Ich gab sie bald wieder auf. Wer hat schon die Zeit, ein- oder zweimal pro Woche mit einem Päckchen zum lokalen Postamt zu gehen und es zu verschicken? Und im Gegensatz zu meinen alten PC-Spielen und DVDs, für die ich bei Secondhand-Händlern meist Aufkäufer gefunden habe, verkaufen sich gebrauchte Bücher weitaus schwerer. Die neuesten Thriller bin ich ab und an noch losgeworden. Aber wer kauft schon ein etwas vergilbtes Exemplar von Elias Canettis „Die gerettete Zunge“ – besonders, wenn es im Paket mit „Usability im World Wide Web“ angeboten wird?
    Überhaupt gelingt das Aussortieren nur selten, da die Bücher ja doch alle irgendwie unentbehrlich und viele auch mit einer besonderen Lebensphase verbunden sind. Immer ist dabei der Gedanke im Hinterkopf: Wenn du dieses Buch jetzt weggibst, dann wirst du es irgendwann vermissen. Vielleicht nicht morgen, aber sicherlich in zwei, drei oder auch in fünf Jahren. Und dann wirst du es reumütig ein zweites Mal kaufen. Also ist es besser, es gleich zu behalten. Diese Haltung habe ich übrigens nicht nur bei mir, sondern auch bei Freundinnen und Freunden beobachten können.
    Während die Anzahl der CDs, die man besitzt, inzwischen aufgrund von Downloads kaum noch steigt und auch Filme immer öfter geliehen oder heruntergeladen werden, „wuchern“ die Bücherregale ungebremst weiter in den Wohn- und Arbeitszimmern, in Fluren und Abstellkammern, kurzum überall, wo sich ein freies Plätzchen findet. Wir umgeben uns mit ihnen und geben uns dabei der Illusion hin, das, was wir allzu schnell vergessen, stets und ständig nachschlagen zu können. Schwierig wird dies allerdings auf den Gebieten, auf denen das Wissen zu den leicht verderblichen Waren gehört – die Einführungen in Windows 3.1 von 1992 beispielsweise habe ich tatsächlich schon entsorgt. Und auch Nachschlagewerke zu medizinischen oder zeitgeschichtlichen Themen vertragen keine allzu lange Lagerzeit. Genau genommen sind es eigentlich nur die Klassiker, die sich unbeschwert über die Jahrzehnte retten können. Platon bleibt Platon, auch wenn in jedem Jahr zig neue Aufsätze und Sammelbände mit Neuinterpretationen erscheinen. Ebenso können Goethes „Faust“ oder Shakespeares „Macbeth“ zwar vergilben, aber nicht veralten.
    Mein neuestes Experiment sieht nun ganz anders aus: Ich habe akzeptiert, dass mir die Bücher, die ich ausgesucht und gelesen habe, wichtig sind – zu wichtig, um mich schweren Herzens und mit großem Aufwand ständig wieder von ihnen zu trennen. Andererseits habe ich auch eingesehen, dass ich nicht alle zwei Jahre ein neues Regal aufstellen kann, weil die alten – auch schon zweireihig genutzt – aus allen Nähten platzen. Also habe ich mir überlegt, dass es doch eine gute
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