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E-Book statt Papierkonserve

E-Book statt Papierkonserve

Titel: E-Book statt Papierkonserve
Autoren: Marlies Michaelis
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auf das richtige Maß an. Im Rahmen der digitalen Revolution schickt sich nun auch das Buch an, in den virtuellen Raum hinüberzuwechseln. Was werden wir dadurch gewinnen und welche Gewohnheiten werden wir aufgeben (müssen)?
    Bei meinen Recherchen zu dem Thema bin ich vielen Meinungen begegnet. Dabei waren die Äußerungen der Journalisten und Schriftsteller durchaus mit denen anderer Bürger vergleichbar. Ein Beispiel dafür ist ein Artikel aus der Wochenzeitung „Die Zeit“. In der Sparte „Zeitgeist“ referierte dort Anfang Februar 2012 Josef Joffe, der Herausgeber, dass das Buch bestehen bleiben werde, weil Bücher stets verführerisch im Regal lauerten und zur Lektüre anregten. „Was man nicht sieht, kann weder inspirieren noch verführen. Schon gar nicht kann man es berühren“, schrieb er. Wieso kann man digitale Bücher, die auf einem Touchscreen-Display dargestellt werden, weniger gut berühren als gedruckte Bücher? Ist das nicht alles eine Frage der Gewohnheit? Viele E-Book-Reader der neuesten Generation bieten sehr gute Touchscreens an. Und sofern die Nutzer entsprechende Ordner anlegen, sind die Bücher auch mindestens so gut sortiert wie im Regal und damit einfach aufzufinden. Ist die Haltung des Herausgebers der „Zeit“ und derjenigen, die ähnliche Ansichten vertreten, nicht eher an erlernte Verhaltensweisen gebunden?
    In einem anderen Fall nutzten Leserinnen und Leser die Möglichkeit, selbst zu den Ausführungen eines Autors Stellung zu beziehen. Dieser Schriftsteller – Jonathan Franzen, ein US-Amerikaner, der als Verfasser von Romanen bekannt wurde – äußerte sich zuletzt Ende Januar 2012 auf einem britischen Kulturfestival zum Thema E-Books: Er halte große Stücke auf das gedruckte Buch und sehe darin vor allem den Inbegriff eines stabilen Gegenstandes, der sich nicht ändere. „A screen always feels like we could delete that, change that, move it around. So for a literature-crazed person like me, it’s just not permanent enough.” [„Ein Bildschirm vermittelt uns ständig den Eindruck, wir könnten es löschen, verändern, verschieben. Für eine literaturbegeisterte Person wie mich ist das einfach nicht dauerhaft genug.“ Übers. d. Red.] Am Ende des Online-Artikels hatten die Nutzerinnen und Nutzer dann die Gelegenheit, die Aussagen des Autors zu kommentieren, was sie auch ausführlich taten – innerhalb weniger Tage gab es 163 Stellungnahmen. Uneingeschränkter Beifall war ebenso darunter wie strikte Ablehnung und die Unterstellung, der Autor fürchte, mit E-Books weniger zu verdienen als mit gedruckten Büchern. Ein nachdenklicher Nutzer berichtete von einer Verwandten, die in ein Wohnheim umzog und viele ihrer (gedruckten) Bücher zurücklassen musste. Viele schrieben auch, dass sie sowohl elektronische als auch gedruckte Bücher schätzten und je nach Bedarf einsetzten. Und natürlich diskutierten die Leserinnen und Leser heftig darüber, ob ein E-Book das Gleiche sei wie ein gedrucktes Buch – nur eben in einem digitalen Medium.
    Viele dieser Themen, die die Kommentatoren des Artikels umtrieben, werden Sie auch auf den folgenden Seiten entdecken. Nach einem kurzen Ausflug in die Welt der gedruckten Bücher möchte ich im dritten und vierten Kapitel wissen, wie sich das gedruckte und das elektronische Buch voneinander unterscheiden – und wer in welchen Kategorien die Nase vorn hat.
    Die aktuelle Auseinandersetzung bezieht sich nur auf die Gegenwart und den jeweiligen persönlichen Nutzen von gedrucktem oder elektronischem Werk. Doch das Buch hat eine lange Geschichte. Sie zu ignorieren hieße, einem der größten Kulturgüter der Menschen einen Teil seiner Bedeutung zu nehmen. Und nicht nur das – eine Reise in die Vergangenheit fördert wichtige Kriterien dessen zu Tage, was das Buch als Medium ausmacht. Dies betrifft die Entwicklung der Schrift, ohne die Bücher nicht möglich wären, ebenso wie das Entstehen erster inhaltlicher Formen. Untrennbar mit Schrift und Inhalt verbunden sind die jeweiligen Trägermaterialien und Herstellungsprozesse. Ohne Ton und Papyrus, ohne Pergament und Papier hätte es keine Bücher gegeben.
    Die Entdeckungsreise beginnt bei den ersten schriftlichen Darstellungen, den steinzeitlichen Höhlenmalereien in Südfrankreich. Es folgen die Erfindung der Keilschrift und erste längere Geschichten im mesopotamischen Uruk. Weiter geht es ins antike Griechenland, zur Wiege alphabetischer Schrift und wissenschaftlicher Texte. Die nächste
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