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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia
Autoren: Patrick Lee
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an der Zahl, die zu zweit oder dritt nebeneinander durchs Dickicht strömten. In Panik versetzt durch ein Geräusch, das sie nie zuvor gehört hatten: menschliche Stimmen. Die Tiere kreuzten unmittelbar vor ihm seinen Weg in einer diagonalen Linie, hätten ihn um ein Haar über den Haufen gerannt. Jedes an die zweihundert Pfund schwer und in vollem Lauf dahinjagend, schnitten sie ihm den Weg komplett ab wie ein vorüberrasender Zug an einem Bahnübergang.
    «Scheiße!», brüllte er. Worauf ein Hirsch ganz in seiner Nähe erschrocken zur Seite wich und auch die nachfolgenden Tiere in einem größeren Bogen an ihm vorüberliefen, aber nicht langsamer wurden oder sich zerstreuten.
    Sobald sie verschwunden waren, spurtete er wieder los und hörte abermals Paige, die nach ihm rief. Doch ihre Stimme klang noch immer hoffnungslos weit entfernt.
    Er sah auf die Uhr.
    Noch zehn Sekunden.
    Er blieb stehen.
    Starrte erneut auf den blauen Lichtpunkt hinab.
    Schon Stunden zuvor, noch vor der Abreise aus Arica, hatte er eine Entscheidung getroffen für den Fall, dass es so kommen würde. Falls die Zeit fast abgelaufen wäre und damit keine Möglichkeit mehr bestand, Paige und Bethany zu retten. Falls nur noch er selbst die Chance hatte, durch die Iris in die Gegenwart zurückzukehren.
    Er hatte keine Sekunde lang darüber nachdenken müssen. Auch jetzt noch stand seine Entscheidung felsenfest.
    Travis öffnete die Hand und ließ den Zylinder auf den weichen Waldboden fallen, wo er ein Stückchen davonrollte und dann liegen blieb. Der blaue Leuchtpunkt zeigte in seine Richtung.
    Travis setzte sich auf den Boden und verschränkte die Arme auf den Knien.
    Noch fünf Sekunden.
     
    Paige rannte, so schnell sie nur konnte. Bethany neben ihr hielt mit ihr Schritt. Sie duckten sich unter Ästen hindurch, schoben Zweige beiseite, setzten im Sprung über umgestürzte Bäume hinweg.
    Die Frage, was der Grund der Eile sein mochte, kam Paige erst gar nicht in den Sinn. Ein wildes, rauschhaftes Gefühl der Freude erfüllte sie. Sie konnte sich nicht erinnern, je einen derart jähen und extremen Umschwung der Gefühle erlebt zu haben. Sie rannte. Warum, war ihr ganz egal.
     
    Null Sekunden.
    Vorläufig brannte das blaue Licht noch.
    Wenig verwunderlich, in Anbetracht seiner eher vorsichtigen Schätzungen. In den nächsten Sekunden würde es erlöschen.
    Travis hörte Schritte und das Knacken von Zweigen. Paige und Bethany waren noch immer weit entfernt, sie würden noch mindestens eine Minute brauchen. Wieder hörte er Paige, die nach ihm rief. Er reagierte nicht. Weil es ihm wie eine Lüge vorgekommen wäre, zu antworten. Sie würden ihn auch so schon früh genug finden. Dann würde er ihnen alles erklären.
    Als fünf Sekunden nach Ablauf der berechneten Frist verstrichen waren, kam ihm eine Idee.
    Es traf ihn wie ein Schlag. Nicht zu fassen, dass er daran noch nicht Stunden zuvor gedacht hatte, zusammen mit allen übrigen Vorbereitungen.
    Er warf sich nach vorn und riss den Zylinder an sich. Zielte damit knapp über den Boden und drückte auf den AN -Knopf. Die Iris erschien, und er sah das sonnenbeschienene Blattwerk von spärlichem Unterholz im Park der Gegenwart und vernahm auch wieder das Geräusch des Helikopters, inzwischen aber Hunderte Meter entfernt. Gleichzeitig drückte er auf den Knopf, der das verzögerte Ausschalten bewirkte, und sah dabei zu, wie der Lichtstrahl an Helligkeit zunahm.
    Dann blickte er auf den letzten blauen Leuchtpunkt am Gehäuse des Zylinders, fixierte ihn beinahe beschwörend. Denn von einer Annahme ging er sicher aus: Sollte der Zylinder seine Funktion einbüßen, ehe er sich von der Iris abtrennte, würde auch die Iris dabei verschwinden.
    Er starrte den Lichtstrahl an, der gerade hell leuchtend die projizierte Öffnung mit Energie speiste.
    Die Sekunden zogen sich schier unerträglich in die Länge.
    Dann erlosch der Lichtstrahl, und auch der Leuchtpunkt auf dem Zylinder verschwand. Ob das gleichzeitig geschehen war oder im Abstand auch nur einer Hundertstelsekunde, hätte Travis nicht zu sagen vermocht.
    Er blickte zur Seite.
    Die Iris war noch dort.
    Geöffnet.
    In Richtung Central Park der Gegenwart, der auf der anderen Seite wartete.
    Während er zur Iris schaute, hörte er ein Zischen und merkte, wie der Zylinder in seiner Hand vibrierte. Er sah hinab und bemerkte dünne, gekräuselte Rauchfäden, die rings um die drei Knöpfe herum aus dem Gehäuse drangen. Das Ding war tot.
    Travis sprang auf und
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