Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia
Autoren: Patrick Lee
Vom Netzwerk:
ich jetzt siebzig Jahre lang nachdenken können. Wenn das Flüstern dir vorab verraten hätte, was eines Tages von dir erwartet wird, vermute ich mal … würdest du es nicht tun. Dein zukünftiges Ich konnte das vermutlich noch leichter voraussehen.»
    Es kam Travis vor, als würden die Informationen um ihn herumwirbeln, ganz ähnlich wie der Rauch wenige Minuten zuvor.
    «Können wir die Pforte denn einfach so versiegeln?», fragte er. «Bei euch hat’s ja offenbar geklappt.»
    Paige sog heftig die Luft ein. «Nein. Himmel, das hätte ich ja beinahe vergessen. Versiegelt die Pforte bloß nicht.»
    «Aber es hat doch geklappt. Sie ist nach wie vor versiegelt, auch heute noch, nach dreiundsiebzig Jahren.»
    Sie sah ihn mit großen Augen an und schüttelte den Kopf. «Die Versiegelung hält zwar, aber die Folgen sind insgesamt katastrophal. Die Entitäten, die sich im Tunnel anstauen, werden im Lauf der Zeit durch den Druck zerstört, soweit wir das beurteilen können. Bei dieser Zerstörung wird in manchen Fällen Energie freigesetzt, die dann letzten Endes doch noch an die Erdoberfläche gelangt. Massenhaft Energie, Strahlung. Unbekannte Spielarten, die wir nicht mal benennen und einordnen können, von solcher Reichweite, dass sogar wir hier die Wirkungen zu spüren bekommen.»
    Travis sah sich zu der verlassenen Stadt um. Dies also war des Rätsels Lösung.
    «Ja», bekräftigte Paige. «Diese Stadt ist so gut wie ausgestorben, weil das Portal versiegelt ist. Und so würde es mittlerweile auf der ganzen Welt aussehen, wenn sie nicht ohnehin schon untergegangen wäre. Die Pforte darf auf keinen Fall versiegelt werden.»
    Unterhalb seines Gesichtsfelds nahm Travis eine Bewegung wahr. Er senkte den Blick. Einer der Leuchtpunkte war soeben erloschen.
    «Mein Gott», sagte er.
    «Kehr zu Tangent zurück», sagte Paige. «Ich habe keine Ahnung, was bevorsteht, aber du musst unbedingt dort sein, wenn es passiert. Das ist vermutlich von größerer Bedeutung, als uns beiden klar ist. Nun geh.»
    Er nickte, richtete den Zylinder aus, schaltete ihn an und betätigte dann den Knopf, der das verzögerte Ausschalten bewirkte. Aus der Iris kam schwarzer Rauch gequollen.
    In den Sekunden, die er noch abwarten musste, bis der Lichtstrahl erlosch, wandte Travis sich noch einmal Paige zu. Starrte ihre Augen an.
    Sie war wunderschön.
    Und würde es immer bleiben, egal, in welchem Alter.
    Das wusste er schon seit dem Tag, an dem er ihr zum ersten Mal begegnet war.
    Ob er sie wohl jemals wieder in diesem Alter zu Gesicht bekommen würde? Wie groß waren die Aussichten für sie beide, auf ihrer eigenen Zeitebene gemeinsam alt zu werden, ganz gleich, was noch bevorstand?
    Er sah, wie ihre Augen auf einmal verdächtig zu glänzen begannen. Sie blinzelte gegen die Tränen an.
    Dann erlosch der Lichtstrahl. Er wandte sich von ihr ab, ohne sich noch einmal umzusehen, spurtete auf die Öffnung zu und hechtete in den dichten Rauch.
     
    Sirenen. Vielstimmiges Geschrei. Durch die Rauchschwaden zuckende Rot- und Blaulichter. Er hielt den Atem an und rannte los, bis er den beißenden Rauch und das ausgebrannte Wrack des Jets hinter sich gelassen hatte. Feuerwehrleute kämpften weiter mit Wasser und Löschschaum gegen den Brand an. Travis nahm sie kaum zur Kenntnis. Er blickte suchend zwischen den Schaulustigen umher, die sich vor dem Terminal versammelt hatten, um das Geschehen aus sicherer Entfernung zu verfolgen. Nachdem er Garner entdeckt hatte, lief er zu ihm, so schnell er nur konnte.

46
    Paige häufte die Kiefernzweige direkt neben dem Feuer auf. Mit etwas Glück würden sie in ein paar Stunden getrocknet sein. Es war nicht leicht, das Feuer in Gang zu halten. Es gab so gut wie kein trockenes Brennholz.
    Die Nacht war fürchterlich gewesen. Von Garners Residenz aus hatten sie sich auf den Weg nach Süden gemacht, waren aber nur mühsam vorwärtsgekommen, weil sie sich über geborstenen Asphalt und durch dichtes Baumwerk kämpfen mussten, und das in völliger Finsternis. Die erste Viertelstunde über hatte Paige sich an die Hoffnung geklammert, dass noch nicht alles verloren war. Bald würde aus der Ferne hinter ihnen eine Folge von Schüssen herüberhallen, die von der Remington abgegeben wurden, und dann würden sie Travis hören, der nach ihnen rief. Wenn alles gutging, würde er den zweiten Zylinder dabeihaben, wenn sie schließlich zusammentrafen.
    So weit die Theorie. In Wirklichkeit traf nichts davon ein.
    Nachdem über eine Stunde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher