Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia
Autoren: Patrick Lee
Vom Netzwerk:
wegen dem sie nach Washington gereist waren. Die Portal-Entität, die sie gerade einer einzelnen Person vorgeführt hatten.
    «Er hat bemerkenswert gelassen reagiert, finde ich», sagte Paige. «Längst nicht so skeptisch, wie ich gedacht hatte.»
    «Er hat es mit eigenen Augen gesehen», sagte Crawford. «Dürfte schwierig sein, diese Art von Beweis in Abrede zu stellen.»
    «Trotzdem, für ihn war das doch etwas ganz Neues. Er hat noch nie zuvor eine Entität gesehen, geschweige denn eine wie diese hier.»
    «Er ist der Präsident. Er hat schon vieles gesehen.»
    Paige beobachtete die Autos, die auf der Fahrspur neben ihnen dahinglitten und mit ihren Reifen langgezogene Wasserschwaden vom Asphalt aufwirbelten.
    «Ich hätte erwartet, dass er beunruhigt ist», sagte sie. «Ich dachte, nach unserer Vorführung würde er genauso beunruhigt sein wie wir.»
    «Vielleicht hat er das nur sehr gut überspielt.»
    «Meinen Sie, er kann uns hierbei helfen?», fragte Paige. «Um das, was da auf uns zukommt, noch irgendwie abzuwenden?»
    «Wir
wissen
doch noch gar nicht, was auf uns zukommt.»
    «Wir wissen aber, dass es nichts Gutes ist. Und dass uns nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, ehe es hier eintrifft.»
    Crawford nickte, den Blick nach vorne gerichtet. Mit seinen vierundsiebzig Jahren war er beileibe nicht mehr der Jüngste, aber seine Augen waren so klar und hellwach wie eh und je. Jetzt gerade blickten sie seltsam besorgt drein.
    Paige sah nach vorne und erhaschte im Rückspiegel einen Blick auf ihre eigenen Augen. Sie hatte noch keine Fältchen ringsherum – sie war erst einunddreißig –, aber das würde sich bei dieser Art von Tätigkeit wohl bald ändern.
    Sie wandte sich noch einmal nach dem Transportkoffer mit der Entität um, eben noch zu erkennen im regenverzerrten Licht der nächtlichen Stadt. Sie dachte an ihre Worte gegenüber dem Präsidenten zurück: Diese Entität könnte als Werkzeug für Ermittlungen betrachtet werden. Weil sie einem eine einzigartige Sicht auf die Welt ermöglichte – und ein Hilfsmittel für die Suche nach Dingen war, die auf anderem Weg nicht ausfindig zu machen waren.
    Jetzt waren sie bereits unterwegs, um sich auf die Suche zu machen nach Antworten auf die Fragen, die ihnen seit nicht ganz zwei Tagen Kopfzerbrechen bereiteten. Paige dachte an Yuma in Arizona, die erste Station dieser Suche. Den ersten Ort, an dem sie die Entität einsetzen würden. Vielleicht würden sie ja schon dort auf die Indizien stoßen, die sie benötigten.
    Und vielleicht auch nicht, vielleicht fand sich dort gar nichts. Überhaupt an keinem Ort.
    Paige verdrängte den Gedanken mit aller Macht. Sie drehte sich wieder nach vorn und starrte durch die von Regentropfen überperlte Windschutzscheibe. Aus dem Augenwinkel bekam sie mit, wie Crawford sich ihr zuwandte, als wollte er etwas zu ihr sagen, aber dann hielt er unvermittelt inne und lauschte mit schräggelegtem Kopf einem Geräusch nach. Paige hörte es ebenfalls. Irgendwo vor ihnen. Durch die dick verstärkten Fensterscheiben des gepanzerten Geländewagens hörte es sich an wie das Geräusch einer Spielkarte in den Speichen eines Fahrrads. Paige wusste es besser. Sie merkte, wie ihr Puls beschleunigte. Sie beugte sich vor, um am Fahrersitz vorbei nach vorne zu schauen, und gleich darauf geschah alles.
    Der Geländewagen vor ihnen bremste abrupt und versuchte noch auszuweichen. Zu spät. Er prallte gegen die Stoßstange des Fahrzeugs davor und geriet heftig ins Schleudern, gleich darauf wurde Paige vom grellen Licht seiner Scheinwerfer geblendet, während der Fahrer ihres eigenen Wagens das Steuerrad nach links herumriss. Ebenfalls zu spät. Der Aufprall war mit nichts zu vergleichen, was sie jemals erlebt hatte. Als hätte jemand einen Telegraphenmast genommen und ihn wie einen Baseballschläger mit voller Wucht von vorne gegen das Auto geschmettert. Ihr Sicherheitsgurt straffte sich so eng um ihren Oberkörper, dass ihr die Luft aus der Lunge gequetscht wurde und sie kurz Mühe hatte einzuatmen. Während sie heftig um Atem rang, merkte sie, wie sich die Welt unter ihr verschob. Sie hob den Blick und sah, wie die Sichtlinie draußen vor der Windschutzscheibe in einem unmöglichen Winkel kippte. Fünfundvierzig Grad. Dann noch steiler, bis der Geländewagen vollends aus dem Gleichgewicht geriet und auf dem Dach landete. Die Streben barsten, und die Fensterscheiben, obwohl aus Panzerglas, bogen sich durch und lösten sich splitternd aus ihren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher