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Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
Autoren: Kim Paffenroth
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es die Hoffnung – zusammen mit der Liebe –, auf die wir in dieser Welt am stärksten vertrauen. Ich glaube, diese vier Menschen hatten eine Bestimmung: Sie sollten uns einen Bericht über all das hinterlassen, was sie in jenem Sommer erlebt und gelernt hatten. Und sie sollten uns Hoffnung schenken, wenn wir dadurch erkennen, dass ihr Lern- und Wachstumsprozess nicht umsonst war, sondern ihnen dabei geholfen hat, mehr in ihrem Leben zu erreichen.
    In meiner Vorstellung bleiben sie niemals stehen und lassen sich nirgendwo nieder, sondern ziehen immer weiter. Sie finden ein größeres Schiff und überqueren den Ozean, und sie nehmen die Gemälde von den Wänden des Louvre, bevor sie vollkommen verrotten. Dann hängen sie sie auf der Brücke ihres Schiffes auf, wo sie sich stets an ihnen erfreuen und sie anderen Menschen zeigen können. Wohin sie auch gehen, wundern die Menschen sich, was für eine seltsame, faszinierende kleine Gruppe sie doch sind – zwei Lebende, zwei Tote – und dann schicken sie sie mit noch mehr Geschichten und guten Wünschen wieder auf die Reise, wie Odysseus, Dante, Ismael oder Gulliver. Sie bleiben stets auf Wanderschaft, da sie natürlich niemals irgendwo richtig hineinpassen – genauso wenig, wie sie richtig zu uns passten. In dieser Hinsicht gleichen sie eher einem anderen Wanderer, Kain, aber ich habe trotzdem immer das Gefühl, dass ihr Weg ein ganz anderer ist als seiner.
    Auch wenn sie durch das Exil in gewisser Weise von uns gezeichnet wurden, möchte ich doch glauben, dass ihnen auch eine höhere, beständigere und weisere Instanz als wir ein solches Zeichen verlieh und ihre schützende Hand über sie hielt. Es war nur so, dass wir mit unseren Regeln und Kategorien Menschen wie sie, die sich in der Gesellschaft nie wirklich wohl- oder sich unter den Mitgliedern einer anderen Gruppe mehr zu Hause fühlten, einfach nicht verstehen oder erfassen konnten. Will hatte recht gehabt – wir neigen dazu, die Toten entweder als unsere höchsten Götzen oder als tödliche Dämonen zu betrachten. Dass auch sie immer noch einfach Menschen sind, ist für uns zu schwer zu begreifen – sich mit den wenigen lebenden Menschen auseinandersetzen zu müssen, ist kompliziert und verwirrend genug.
    In meinem Kopf wandern sie aber natürlich nicht einfach nur durch die Gegend. Sie alle finden ihr persönliches Glück auf ihrer kleinen Arche. Lucy spielt Menschenmengen in aller Welt auf ihrer Geige vor, und die Menschen erinnern sich wieder daran, was Schönheit wirklich ist und wünschen sich mehr davon. Truman liest und lernt immer weiter, bis er schließlich neue Bücher schreibt, die sie an zahlreichen Häfen zurücklassen, damit die Menschen aus ihnen lernen können. Und Will und Rachel haben eine ganze Schar Kinder, die wachsen und gedeihen und nur diese seltsame neue Welt und ihre guten Möglichkeiten kennen. Für sie existieren Tod und Leben ohne Angst oder Ignoranz nebeneinander, und nur das Töten ist ein schreckliches Geheimnis, das sie fürchten und scheuen. Für sie ist Freiheit eine Realität und Notwendigkeit, die wir in unserer Gemeinde niemals verstehen können.
    Seit ihrer Abreise war das Leben in unserer Stadt viel weniger abenteuerlich oder dramatisch als irgendeine meiner Fantasien. Das Leben der Menschen der River Nation unterschied sich sehr von unserem. Sie hatten sich eine Regierung erhalten – seltsam gelöst und brutal und teilweise so einschränkend und unterdrückend, dass wir es nicht tolerieren oder verstehen konnten. Und auch wenn sie noch immer einfachen Tauschhandel betrieben, da ihre Dörfer über den gesamten Fluss verstreut lagen, war ihr Wirtschaftssystem viel komplexer und vielfältiger als unseres.
    Als ich später Trumans Tagebuch las, musste ich über Wills Maiszigaretten lächeln. Tabak war ziemlich leicht zu bekommen, sobald wir begannen, Handel mit der River Nation zu betreiben, da deren Kolonien sich bis in südlichere Gefilde erstreckten, wo dieses tödliche, aber tröstliche Kraut weit verbreitet war. Nach und nach verknüpfte und vermischte sich unser Leben immer mehr mit dem dieser anderen »Nation«: eine Nation, verbunden mit einer Nicht-Nation, die gemeinsam etwas bilden, wofür wir noch immer keinen Namen oder ein Wort haben.
    Während wir uns an ihr Wirtschaftssystem anpassten, übernahmen sie unsere Art, mit den Toten umzugehen. Ihnen wurde bewusst, dass sie einen Großteil ihres Wachstums und ihrer Sicherheit der Tatsache verdankten, dass Milton
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