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Dustlands - Die Entführung

Dustlands - Die Entführung

Titel: Dustlands - Die Entführung
Autoren: Moira Young
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an. Dann sagt er immer das Gleiche, jedes Mal.
    Tag, Willem. Wie geht’s den Kindern? Alles in Ordnung?
    Denen geht’s gut, Procter
, sagt Pa dann.
Und dir?
    Gut genug, um noch eine Weile durchzuhalten.
    Dann tippt er sich an den Hut und reitet davon, und wir bekommen ihn für den nächsten Monat nicht zu sehen. Pa mag ihn nicht. Er sagt es nicht, aber man merkt es ihm an. Eigentlich müsst er doch froh sein, wenn er außer uns mal jemand zum Reden hat. Aber er bittet Procter nie auf einen Schluck in unsere Hütte.
    Lugh sagt, das ist wegen dem Chaal. Wir wissen nur, dass es so heißt, weil ich Pa mal gefragt hab, worauf Procter da immer rumkaut. Da hat Pa ein ganz verkniffenes Gesicht gemacht. Erst hab ich gedacht, er will es uns nicht sagen. Aber dann hat er gesagt, das heißt Chaal und ist Gift für den Verstand und für die Seele, und falls jemand uns das anbietet, sollen wir nein sagen. Wird uns wohl kaum passieren, wir kriegen hier ja sowieso nie jemanden zu sehen.
    Jetzt schüttelt Lugh den Kopf. Procter John zählt nicht, sagt er. Sogar mit Nero kann man sich besser unterhalten als mit dem. Ich schwör dir, Saba, wenn ich hierbleib, werd ich entweder verrückt oder ich bring Pa irgendwann um. Ich muss hier weg.
    Ich krabbel um ihn rum und knie mich vor ihn hin.
    Ich komm mit, sag ich.
    Klar, sagt er. Und Emmi nehmen wir auch mit.
    Ich glaub nicht, dass Pa das erlaubt, sag ich. Und sie würd sowieso nicht mitkommen. Sie würd lieber hier bei Pa bleiben.
    Du meinst, dir wär lieber, wenn sie hierbleibt, sagt er. Wir müssen sie mitnehmen, Saba. Wir können sie doch nicht zurücklassen.
    Und was, wenn … wenn du mal mit Pa redest, vielleicht sieht er’s ja doch noch ein, sag ich. Dann könnten wir alle zusammen ein neues Zuhause suchen.
    Wird er nicht, sagt Lugh. Er kann Ma nicht verlassen.
    Wie meinst du das?, frag ich. Ma ist doch tot.
    Lugh sagt: Ich meine … Er und Ma haben das alles hier zusammen aufgebaut, und in seinem Kopf ist sie immer noch hier. Er kann die Erinnerung an sie nicht verlassen, das mein ich.
    Aber wir sind doch die, die noch leben!, sag ich. Du und ich.
    Und Emmi, sagt er. Ich weiß. Aber du siehst doch, wie’s ist. Es ist, als wärn wir gar nicht da. Wir sind ihm völlig schnuppe.
    Er denkt kurz nach. Dann sagt er:
    Liebe macht einen schwach. Wenn man jemanden so lieb hat, kann man nicht klar denken. Guck dir Pa doch an. Wer will schon so werden? Ich werd nie jemanden lieben. Das ist besser.
    Dazu sag ich nichts. Mal nur mit dem Finger Kreise in den Staub.
    Aber mein Magen krampft sich zusammen. Als würd jemand direkt in mich reingreifen und ganz fies zudrücken.
    Dann frag ich doch: Was ist mit mir?
    Du bist meine Schwester, sagt er. Das ist nicht dasselbe.
    Aber was, wenn ich sterben würd? Du würdst mich doch vermissen, oder?
    Pah, sagt er. Als ob du sterben und mich einfach so in Ruhe lassen würdst. Du läufst mir doch überallhin nach und machst mich wahnsinnig. Seit wir auf der Welt sind.
    Ich kann nichts dafür, dass du das höchste Ding hier in der Gegend bist, sag ich. Du bist ein prima Sonnenschutz.
    He! Er schubst mich, und ich fall auf den Rücken.
    Ich schubs ihn mit dem Fuß. Selber he! Ich stütz mich auf die Ellbogen. Also, sag ich, würdst du?
    Was?
    Mich vermissen.
    Sei nicht albern, sagt er.
    Ich knie mich vor ihn hin. Er guckt mich an. Lughs Augen sind so blau wie der Sommerhimmel. So blau wie das sauberste Wasser. Ma hat immer gesagt, seine Augen sind so blau, dass man am liebsten auf ihnen davonsegeln würd.
    Ich würd dich vermissen, sag ich. Wenn du sterben würdst, würd ich mich umbringen, weil ich dich so sehr vermissen würd.
    Red keinen Quatsch, Saba.
    Versprich mir, dass du’s nicht tust, sag ich.
    Dass ich was nicht tu?
    Sterben.
    Sterben muss jeder irgendwann, sagt er.
    Ich berühr seine Geburtsmondtätowierung. Oben auf seinem rechten Wangenknochen. Genau wie bei mir. Sie zeigt, wie der Mond ausgesehen hat in der Nacht, in der wir geboren worden sind. An dem Mittwinter damals ist Vollmond gewesen. Das ist selten. Aber Zwillinge, die bei Vollmond und außerdem an Mittwinter geboren werden, das kommt noch seltener vor. Pa hat die Tätowierungen selbst gemacht, damit man sieht, dass wir was Besonderes sind.
    An unserem letzten Geburtstag sind wir achtzehn Jahre alt geworden. Das muss vier Monate her sein, so ungefähr.
    Was meinst du?, frag ich. Wenn wir sterben, enden wir dann als Sterne, nebeneinander?
    Du musst aufhören, so was zu denken,
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