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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
Autoren: Moira Young
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schreit, dreht sich zu ihren Eltern um.
    Sie erschießen sie beide zugleich. Mann und Frau. Je einen Bolzen durch die Stirn, und ihre Körper sacken zu Boden. Nessa kreischt. Und diesmal hört Jack sie. »Lauf, Robbie!«, schreit sie. »Lauf!«
    Der kleine Junge tritt um sich und windet sich im Griff des Tonton. Er beißt ihn in die Hand. Der Mann schreit auf und lässt ihn los. Robbie ist frei. Er rennt aufs Feld, so schnell er kann, während seine Schwester ihm zuschreit, er solle schneller rennen. Aber es ist Sommer, und das Getreide steht hoch, und er ist erst vier.
    Der Befehlshaber bellt Anordnungen. Ein Mann rennt dem Jungen hinterher. Zu spät. Der eifrige neue Siedler ist aus dem Wagen gesprungen, zielt mit dem Feuerstab, schießt. Robbie bricht zusammen.
    Der Befehlshaber hat die Kontrolle über die Situation verloren. Es hätte alles glatt laufen müssen. Stattdessen herrscht Chaos. Während er und der Siedler sich gegenseitig die Schuld zuschieben, fängt Nessa an zu schreien. Schrille Schreie der Trauer und Wut, bei denen Jack eine Gänsehaut bekommt.
    Ihr Hemd ist zerrissen. Die Männer lachen, als sie versucht, sich zu bedecken, weint, kreischt, um sich schlägt. Sie halten ihr die Hände hinterm Rücken fest, und einer fasst sie grob an.
    Der Befehlshaber sieht das. Er handelt schnell. Er schießt dem Mann in den Kopf.
    Irgendwie bekommt Nessa in dem ganzen Durcheinander einen Bolzenschießer zu fassen. Sie schiebt ihn sich in den Mund und drückt ab.
    Jack wendet sich ab. Er lehnt den Kopf an den Hals des weißen Pferdes und atmet mehrmals tief durch. Atlas tänzelt unruhig.
    Was für ein Schlamassel. Pfuscharbeit. Anscheinend sollten sie die Jungen und Gesunden, Nessa und Robbie, mitnehmen und die kränklichen Eltern töten. Stattdessen sind jetzt alle tot.
    Die Tonton spielen wirklich ein neues Spiel. Er hat schon vor Monaten Gerüchte über Landraub und Umsiedlung gehört. Aber nicht so weit im Westen, noch nie so weit im Westen. Sie breiten sich aus wie eine Seuche.
    Wenn das hier Tonton-Gebiet ist, dann der Sturmgürtel ebenso. Und das bedeutet, Molly ist in Gefahr.
    Jetzt ist er nicht mehr nur besorgt. Jetzt hat er Angst.

    E r verlässt den Pfad. Dort ist er nicht sicher.
    Atlas und er ziehen über unbekannte Straßen ostwärts. Sie kommen nur schwer voran, die Gegend ist unwirtlich. Der Weg ist düster und steinig, wird niemals von der Sonne erwärmt und selten genutzt. Hin und wieder sieht er in der Ferne andere Reisende – bewegliche Punkte in der Landschaft –, aber sie sind wohl ebenso scharfäugig wie er und genauso darauf bedacht, unbemerkt zu bleiben, denn näher kommt ihm nie jemand. Jack beeilt sich, ruht mal hier eine Stunde, dann dort zwei Stunden aus. Er hat viel Zeit, über das nachzudenken, was er mit angesehen hat.
    Die Tonton. Bis vor kurzem die Privatarmee von Vikar Pinch, dem Verrückten, Drogenbaron und selbsternannten König der Welt. Mittlerweile tot.
    Sie haben die Tonton am Pine Top Hill besiegt. Saba, Ike und er, mit Hilfe von Maev, deren Free-Hawks-Kriegerinnen und den mit ihnen verbündeten Straßenräubern. Und Saba hat Vikar Pinch getötet. Aber sie haben die Tonton nicht ausgelöscht. Sie haben sie nicht bis zum letzten Mann getötet. Und selbst wenn – er ist alt genug, hat genug erlebt, um zu wissen, dass man das Böse auf der Welt nicht ausrotten kann. Man tötet es vor sich, und wenn man sich umdreht, steht es hinter einem.
    Ganz offensichtlich gibt es die Tonton noch. Nur anders jetzt. Früher waren sie, gelinde gesagt, schmuddelig, mit langen Haaren und Vollbärten. Die hier waren glatt rasiert und hatten stoppelkurze Haare. Ihre Gewänder waren sauber, ihre Stiefel und ihre gesamte Ausrüstung auch. Ihre Pferde waren gestriegelt, das Fell glänzte. Eine neue, saubere und manierliche Art von Tonton.
    Nicht manierlich genug. Der Einsatz im Tal ist völlig danebengegangen. Der Befehlshaber hatte seine Männer nicht ganz im Griff. Sie zögerten, ihm zu gehorchen. Und die zudringliche Art des einen bei Nessa zeigt, dass ein paar von ihnen immer noch nach den alten Regeln spielen wollen. Aber der Befehlshaber hat ihn erschossen. Schnell. Ohne zu zögern. Eine laute, deutliche Botschaft an alle, die vielleicht genauso denken. Ein neues Spiel. Neue Regeln. Keine zweite Chance.
    Also.
    Das kleine grüne Tal. Ein fruchtbares Fleckchen Erde. Obdach. Sauberes Wasser. Die Tonton töten die kranke Frau und den erschöpften Mann. Und wenn alles nach Plan gelaufen
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