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Durchschaut - Das Geheimnis, kleine und große Luegen zu entlarven

Titel: Durchschaut - Das Geheimnis, kleine und große Luegen zu entlarven
Autoren: Jack Nasher
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Einstellungsgesprächen könnte man innerhalb von Minuten erfahren, ob der Kandidat ehrlich, loyal und zuverlässig ist. Beim geringsten Verdacht auf Untreue würde man mit seinem Mann oder seiner Frau zum nächsten Lügendetektorkiosk gehen - natürlich stünde an jeder Ecke einer zur Verfügung - und hätte Klarheit. Vor Gericht würde die Beweisaufnahme nur wenige Minuten dauern; ja, man würde jeden Bürger einfach alljährlich fragen, ob er gegen das Gesetz verstoßen hätte. Journalisten würden Mini-Lügendetektoren bei sich tragen, um in Sekundenschnelle festzustellen, ob der Interviewte schwindelt. Beim nächsten Kanzlerduell würde der Fernsehsender (oder jedenfalls YouTube) den Wahrheitsgehalt eines jeden Wahlversprechens in Echtzeit einblenden.
    Dieses Zeitalter der Wahrheit ist noch nicht angebrochen, der Weg dorthin scheint aber gebahnt. Der Lügendetektor (Polygraph) ist allerdings kein Wunderding, das Lügen intuitiv erkennt - er misst lediglich körperliche Symptome. In der Regel werden am Körper des vermeintlichen Lügners Sensoren angebracht, um Veränderungen des vegetativen Nervensystems zu erkennen: Eine Manschette um den Arm,
die Puls sowie Blutdruck misst, eine an der Brust und eine am Bauch, um die Atemfrequenz mitzuverfolgen, und Metallelektroden am Finger, die den Wandel des Hautwiderstands durch Schwitzen erfassen. 1
    Das Gerät ist mitnichten neu: Der Lügendetektor wurde schon im Jahre 1902 von James Mackenzie erfunden und neunzehn Jahre später vom Medizinstudenten John Larson erstmals praktisch umgesetzt. Seit 1921 hat sich das Gerät - abgesehen von einer kompakteren Bauform und einer digitalen statt analogen Anzeige - kaum verändert.
    Der klassische Lügendetektortest, die »Kontrollfragenmethode« ( relevant-irrelevant test ), wurde bereits 1917 vom Harvardstudenten William Moulton Marston entwickelt (der später unter dem Pseudonym Charles Moulton übrigens die Comicheldin Wonder Woman erschuf, deren Zauberlasso die Geschnappten zwang, die Wahrheit zu sprechen). Dieser Test ist noch immer weit verbreitet. Bei der Kontrollfragenmethode stellt man dem Befragten zunächst ganz unverfängliche Fragen, etwa nach der Uhrzeit oder seinem Namen. Zugleich wird die körperliche Reaktion auf diese Fragen - auf die das »Opfer« wohl nichts als die Wahrheit antworten wird - gemessen. Dieses Normalverhalten nennt man im Fachjargon »Baseline«. Danach konfrontiert man den Befragten mit einer kritischen Frage, auf die er wahrscheinlich mit einer Lüge reagieren wird, zum Beispiel »Haben Sie das Geld gestohlen?«. Treten nun körperliche Veränderungen auf, also Abweichungen von der Baseline, werden sie als Hinweis auf eine Lüge gedeutet.
    Eine Variation dieser Methode rollt die Sache von der anderen Seite auf: Hier will man noch vor den entscheidenden Fragen wissen, welche körperlichen Symptome der Befragte beim Lügen zeigt. 2 Also fragt man beispielsweise zunächst ganz harmlos: »Haben Sie vor Ihrem achtzehnten Lebensjahr
je etwas an sich genommen, das Ihnen nicht gehörte?« Wie man weiß, hat so gut wie jeder als Kind mal eine Kleinigkeit stibitzt; doch der Befragte, der möglicherweise denkt, dass es hier um eine Art Persönlichkeitstest geht, wird wahrscheinlich lügen - also mit »Nein« antworten. Zugleich wird gemessen, wie sein Körper bei der Lüge reagiert. Tauchen dann bei den kritischen Fragen die gleichen Signale auf wie bei der »kleinen« Lüge am Anfang, liegt es nahe, dass auch hier gelogen wird.
    Doch wie auch immer man vorgeht: Bei jeder Methode muss erst einmal die Baseline gemessen werden.

Die Baseline
    Um Verhaltensunterschiede beim Lügen feststellen zu können, muss man zuerst wissen, wie sich der Gesprächspartner verhält, wenn er nicht lügt. 3 Pokerspieler studieren die Baseline ihrer Gegner oft monatelang anhand von Videoaufzeichnungen, um herauszufinden, wann ihre künftigen Turniergegner »ehrlich« spielen und wann sie bluffen. Aber wie macht man das, wenn einem keine Videos zur Verfügung stehen? Ganz einfach: Man unterhält sich. Je mehr man vorab mit dem anderen spricht, desto besser kann man die Baseline seines Gegenübers definieren.
    Genauso läuft es auch bei den Verhörprofis: Um das normale Gesprächsverhalten des Verdächtigen kennenzulernen, plaudern Ermittler bei Verhören zuerst
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