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Durchschaut - Das Geheimnis, kleine und große Luegen zu entlarven

Titel: Durchschaut - Das Geheimnis, kleine und große Luegen zu entlarven
Autoren: Jack Nasher
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Chamberlain glaubte Hitler; so schrieb er nach dem Treffen an seine Schwester,
dass Hitler ein »ehrlicher und zuverlässiger Mann« sei, und setzte seine Appeasement-Politik fort - was sich spätestens nach Hitlers Invasion der Tschechoslowakei als katastrophaler Irrtum entpuppte. 10 Hätte Chamberlain Hitlers perfide Lüge enttarnt, wäre die Geschichte völlig anders verlaufen.
    Staatsoberhäupter belügen sich nicht nur gegenseitig, sondern auch ihr eigenes Volk - vor allem um einen Krieg anzuheizen. Die Lügen der George-W.-Bush-Regierung sind vielleicht noch nicht alle entlarvt, doch die Wahrheit über das Tun seines Vorgängers Lyndon B. Johnson kam dank der 1971 veröffentlichten Pentagon-Papiere ans Licht: Johnson behauptete 1965 vor dem US-Kongress, nordvietnamesische Boote hätten im Golf von Tonkin US-Einheiten angegriffen. Aufgrund dieser Lüge wurde er vom Kongress zum Krieg ermächtigt, und das Desaster nahm seinen Lauf. Schon der britische Schriftsteller Rudyard Kipling wusste: »Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges.«
    Kaum etwas ist wichtiger, als zu wissen, was die Menschen um uns herum wirklich denken: Ob sie sagen, was sie tatsächlich meinen, wissen oder beabsichtigen. Moderne Kommunikationsformen hin oder her: Die Schlüsselmomente im Leben sind stets persönliche Gespräche, sei es ein Ehestreit, ein Bewerbungsgespräch oder eine Gehaltsverhandlung. Im Gespräch werden Meinungen und Entscheidungen geformt - und genau an diesem Punkt setzt die Täuschung an.

    Die vermeintliche Notlüge
    Â»Ein Dutzend verlogener Komplimente ist leichter zu ertragen als ein einziger aufrichtiger Tadel«, schrieb Mark Twain. In der Tat scheinen Lügen nicht immer »böse« zu sein - für so manche soziale Beziehung sind sie unabdingbar, und bestimmte Lügen kann man sogar als selbstlos bezeichnen. Zur Höflichkeit gehört eben die ein oder andere kleine Lüge. Wie sähe es mit unserem Selbstvertrauen aus, wenn wir jedes Mal die schonungslose Wahrheit erführen? »Du bist aber gealtert!«, »Dein Kind ist wirklich das hässlichste, das ich je gesehen habe!«. Wenn eine Frau ihren Mann fragt, ob er meine, dass sie abgenommen habe, will sie die Wahrheit möglicherweise gar nicht hören.
    So rechtfertigte schon der große Theologe des 13. Jahrhunderts, Thomas von Aquin, die Notlüge. Von Immanuel Kant kategorisch abgelehnt, gestatten in der Neuzeit vor allem Utilitaristen wie Henry Sidgwick das Lügen, da sie sich nicht an einer abstrakten Moral, sondern am konkreten Nutzen einer Tat für die Gesellschaft orientieren.
    Also, Notlüge ja oder nein? Unproblematisch ist sie jedenfalls nicht: Wenn ein Arzt trauernden Angehörigen fälschlicherweise mitteilt, dass das Unfallopfer nicht gelitten habe, sondern gleich gestorben sei, erscheint die Lüge noch gerechtfertigt. Andere Situationen werfen schwierigere Fragen auf: Bleibt einem Patienten nicht mehr viel Zeit, wird ihm zuweilen - seltener als früher, aber dennoch recht häufig - auf unehrliche Weise Hoffnung gemacht. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die psychische Verfassung einen großen Einfluss auf die Genesung hat und Optimismus stets förderlich ist. So kann auch eine zu Unrecht optimistische Aussage eines Arztes eine positive Wirkung entfalten: Der Patient lebt
dank einer Selffulfilling Prophecy möglicherweise tatsächlich länger. 11
    Andererseits haben Menschen ein Recht darauf, zu erfahren, wie es um sie steht. Sie haben ein Recht auf die Wahrheit - niemand darf für einen mündigen Menschen entscheiden, was er lieber nicht wissen sollte. Genau dies ist nämlich ein Hauptmerkmal des diktatorischen Staates: den Zugang zu Informationen zu beschränken, um die Leute nicht »unnötig zu beunruhigen«.
    Daher darf man sich auch im Alltag nicht vorschnell einreden, dass der Belogene doch gern belogen werde. Häufig ist eine Notlüge zwar kurzfristig leichter, aber auf Dauer nicht förderlich: Vielleicht wäre es tatsächlich besser, wenn der Mann seiner Frau sagen würde, sie sei zu dick, damit sie ihrer Gesundheit zuliebe ein wenig abnimmt. Der Vertriebsangestellte, der die Verkaufstechniken seiner Firma aus moralischen Gründen ablehnt, seinen Vorgesetzten aber weismacht, er würde sie selbstverständlich anwenden, sollte am besten das Unternehmen wechseln. Wenn man genauer hinschaut, entpuppen
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