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Durchgebrannt - Roman

Durchgebrannt - Roman

Titel: Durchgebrannt - Roman
Autoren: Kristina Dunker
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meinen Einkäufen -- Chips, Eis, Getränken -- an der Kasse der Tankstelle und werde den verfluchten Fünfhunderter nicht los.
    »Vielleicht glaubt der Typ, der ist gefälscht«, raunt Nils mir zu.
    »Er sagt, er kann's nicht prüfen, ob's echt ist«, präzisiert Lea.
    »Ja, was soll ich dann jetzt machen? I have no other money«, rufe ich und zeige auf die Einkaufstüten.
    Der Kassierer sagt wieder was auf Holländisch, schüttelt den Kopf und reicht mir den Schein zurück.
    »O Mann, was soll denn das?!«, schimpfe ich.
    »Ich lege dir das solange aus.« Nils übernimmt die Rechnung.
    Ein bisschen zornig und verunsichert schleppe ich die Tüten zum Bus. Meine blöden Eltern. Da eilt Anna auf mich zu und fragt sofort nach Sarah.
    »Ihr geht's ganz gut. Sie freut sich, dass du sie am Dienstag besuchst.«
    »Ich hab ihr noch gar nicht gratuliert. Ich wollte sie vorhin anrufen, aber sie ist nicht an ihr Handy gegangen.«
    »Das wird sie wohl gar nicht hören. Die ganzen Verwandten sind da.«
    Anna lacht ein bisschen »Die Arme! Ich find Familientreffen immer furchtbar. Nachher wiege ich immer drei Kilo mehr. Aber mich wundert's, dass deine Eltern dich weggelassen haben?«
    Ich denke an die Worte der Krankenschwester und behaupte: »Die vielen Leute sind eh Stress für Sarah: zu viele Bakterien.«
    Das wirkt. Anna nickt ernst und klopft mir aufmunternd auf die Schulter. »Ich rufe Sarah später an, wenn sie wieder allein ist. Wir telefonieren und simsen öfter am Abend.«
    »Wir auch.«
    Anna hält inne, schaut für einen Moment so, als wolle sie mich etwas Wichtiges fragen, verkneift es sich aber, als ihre Freundinnen herankommen.
    »Das ist gut«, sagt sie deshalb nur, »mach das ruhig, dann ist die Umstellung von Besuch auf Alleinsein nicht so krass.«
    »Ja, heute Abend kann sie dann auch noch mein Geschenk aufmachen.« Kaum habe ich das gesagt, bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee von Sarah war, das Geschenk erst zu öffnen, wenn alle fort sind. Es wird sie schockieren, wird ihr sagen: So siehst du demnächst vielleicht aus. Hübsch bist du ja schonjetzt nicht mehr. Da helfen keine Perücke und keine Schminke. Die Jungs haben dich längst abgeschrieben. Selbst Peter, mit dem du anbändeln wolltest.
    Auch wenn sie sich dann erinnert, dass sie sich dieses T-Shirt ja selbst ausgesucht und gewünscht hat, wird sie sich nicht freuen. Sarah hat sich verändert, das hat meine Mutter richtig beobachtet.
    Vor ein paar Tagen hatte ich die Musikzeitschrift, in der das T-Shirt abgebildet war, noch mal in den Händen. Auf eine Seite hatte jemand mit zittriger Schrift
Hilfe, Hilfe
geschrieben. Zuerst dachte ich an eine Oma mit Parkinson, aber dann hatte meine Mutter mir versichert, dass Sarah ihre Zeitschriften nicht verleihen würde.
    Dicht hinter meinem Rücken fährt ein Lastwagen vorbei und nicht nur der Fahrtwind verursacht mir eine Gänsehaut.
    Am liebsten würde ich sie jetzt anrufen und ihr sagen, dass sie mit dem Öffnen warten soll, bis ich sie das nächste Mal besuche. Ich könnte bis dahin was anderes besorgen und die Päckchen heimlich austauschen. Aber das geht nicht. Ich kann sie nicht anrufen. Die ganze Bagage wird noch an ihrem Bett sitzen und statt Sarah werde ich wahrscheinlich eh meinen Vater an der Strippe haben.
    Nachdenklich steige ich in den Bus und warte auf Nils. Er hat einen Arm um Lea und einen um Ricarda gelegt. Sie tun so, als wären sie betrunken, und torkeln in Schlangenlinien über den Parkplatz.
    Den dreien folgt wie ein Hündchen der dicke Lennart, der unsportlichste Fußballer aller Zeiten, der bei keinem von uns richtig Anschluss gefunden hat. Lennart sollte auch erst zu Hause bleiben, nicht weil seine Eltern es ihm nicht erlaubten, sondern weil wir anderen fanden, dass er nicht in die Mannschaft passt.
    Mensch, die Einwilligungserklärung. Ich reiße schnell zwei Seiten aus dem Spiralblock, den ich aus Leas Rucksack herausragen sehe, und schreibe in Druckbuchstaben auf das karierte Papier:
»Wir erlauben unserem Sohn Florian, mit zur Jugendfreizeit zu fahren.«
    Als Nils sich neben mich auf den Sitz plumpsen lässt, übe ich auf dem zweiten Blatt gerade die Unterschrift meiner Mutter. Er sieht's, zieht die Augenbrauen hoch, steht auf und raunt mir zu: »Ich geb dir Deckung. Nicht dass dich einer sieht.«
    »Danke«, sage ich, »danke auch fürs Bezahlen.«
    Nils grunzt nur und flüstert dann den Mädchen zu, dass sie Lennart zurückdrängen sollen, der um uns
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