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Durch Himmel und Hoelle

Durch Himmel und Hoelle

Titel: Durch Himmel und Hoelle
Autoren: Unknown
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Sich in der Lage einer gewöhnlichen Magd wiederzufinden - und dies im Haus ihrer eigenen Tante -, war ein schwerer Schlag. Sie war keineswegs faul, sie war immer hilfsbereit und sportlich gewesen, obwohl das für ein Mädchen ihrer Gesellschaftsschicht nicht üblich war.
    Wäre ihre Familie arm gewesen, hätte sie ihren Eltern auf jede Art und Weise geholfen; es hätte ihr nichts ausgemacht, auf den Knien Böden zu schrubben. Stolz hätte sie dieses Opfer gebracht, um ihrer

Familie zu helfen. Sie hätte es niemals als Erniedrigung oder Demü- tigung empfunden.
    Aber hier, in Graystone Manor, hatte Agatha überhaupt keinen Grund, sie in diese Lage zu bringen. Ihre eigene Tante hatte sie ge- zwungen, Küchenmagd zu werden, mit weniger Freiheit als der niedrigste Dienstbote, ohne jegliches Ansehen im Haus. Sie hatte sie in ein dürres Niemandsland verwiesen, losgelöst von allem und je- dem. Die anderen Dienstboten, die sehr wohl wußten, daß sie von höherem Stand und die Nichte ihrer Herrin war, überließen sie ih- rem Schicksal und verbannten sie aus ihrem Kreis. Sie wußten, daß Agatha nicht den kleinen Finger rühren würde, um Elysia zu helfen, und so versorgten sie sie mit mehr Arbeit, als drei Mägde schaffen konnten. Elysia kam sich vor wie in einem Arbeitshaus. Es schien, als hätte sie nie einen freien Moment - keinen Gedanken, keine Zeit für sich selbst. Man trieb sie ununterbrochen an, das Haus zu put- zen, Bienenwachs in das alte Holz zu reiben, Böden zu schrubben, bis sie blitzsauber waren, die Schlafzimmer zu lüften, Bettzeug zu flicken und Schwerarbeit zu leisten, bis ihr die Schweißtropfen von der Stirn troffen und ihr Kleid naß geschwitzt war.
    Und Agatha war ständig hinter ihr her und beobachtete sie, gab ihr Befehle und rührte selbst nie einen Finger. Manchmal dachte Elysia, Agatha hätte es genossen, sie mit einer Peitsche anzutreiben, während sie wieder irgendeine Plackerei hinter sich brachte.
    Mit Bitterkeit erinnerte sich Elysia daran, daß sie den Gedanken gehaßt hatte, ihrer Tante zur Last zu fallen, aber jetzt wußte sie, wie sehr sie sich damit geirrt hatte. Tante Agatha führte ein sehr beschei- denes Haus, ohne jegliche Verschwendung, und Elysias bescheide- ner Anteil am Essen war mit der schweren Arbeit, die sie im Haus verrichtete, mehr als ausgeglichen. Sie belastete weder das Haus- haltsbudget, noch war sie Agatha irgend etwas schuldig.
    Und das alles zu einer Zeit, in der Elysia, mehr als je zuvor, Liebe und Verständnis gebraucht hätte - als verlassene Waise und aus al-

lern, was sie liebte und kannte, herausgerissen. Hungrig, nur mit den Erinnerungen, die die Schmerzen stillen konnten, wenn sie nach einem freundlichen Lächeln oder einem guten Wort dürstete. Von ihrer ganzen Umgebung erntete sie nur Schimpf und Haß.
    Ständig spürte Elysia Agathas farblose Augen, die sie beobachte- ten. Sie machte Elysia wütend; trieb sie dazu, eine Dummheit zu be- gehen, und genoß es dann, sie dafür zu bestrafen. Sie wußte, daß Tante Agatha geduldig auf ihren Zusammenbruch wartete - aber da konnte sie lange warten. Sie würde sie bekämpfen - wenn auch nicht äußerlich mit Wortgefechten, sondern schweigend, mit ihrem Ver- stand und ihrem Herzen. Ein bißchen Stolz war ihr noch geblieben.
    Am Ende des Tages, wenn Tante Agathas Sticheleien unerträglich wurden und ihr ganzer Körper vor Müdigkeit schmerzte, kletterte Elysia die Treppe zu ihrer Dachkammer hinauf - ein kalter, kahler Raum in der Mansarde. Wie oft war sie am Dachfenster gestanden und hatte auf den fernen Horizont geblickt, sich nach Dingen ge- sehnt, die nie Wirklichkeit werden würden, und sich an Zeiten erin- nert, in denen sie Grausamkeit und Bosheit, Einsamkeit und Schmerz nicht gekannt hatte.
    Ihr einziger Trost, wenn sie am Abend ins Bett ging, waren ihre Träume. Sie zog ihr dünnes Nachthemd an, kroch frierend zwi- schen die kalten Laken und döste, während sie den Mäusen zuhörte, die in der Wand herumkrabbelten.
    Hin und wieder konnte sie nach draußen flüchten, wenn Agatha eine Besorgung zu machen hatte und sie ins Dorf oder auf einen na- hegelegenen Bauernhof schickte. Elysia mußte dann ihre Aufre- gung und Freude verbergen und so tun, als wäre es eine weitere ver- haßte Pflicht. Hätte Agatha gewußt, wie sie sich auf diese Ausflüge freute, hätte sie ihr verboten, jemals wieder einen Fuß vor die Tür zu setzen; so erpicht war sie darauf, Elysia jede Freude zu verderben.
    Elysia lief bei
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