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Durch Himmel und Hoelle

Durch Himmel und Hoelle

Titel: Durch Himmel und Hoelle
Autoren: Unknown
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Geruch des Feindes wittern, um beim ersten Anzeichen von Gefahr zur Flucht bereit zu sein. Während sie sich ihren Weg durch das Dickicht bahnte, fühlte sie, wie ihr Tränen der Wut und Angst in die Augen stiegen.
    Ihre Lippen bebten, sie fühlte sich wie ein Tier, das man zum Ver- gnügen jagte. Es war nicht verwunderlich, daß die Dorfleute ihre Töchter nicht von ihrer Seite ließen, wenn die wilden Adligen, die feinen Londoner Gentlemen, ihren Landgütern ihre unregelmäßi- gen Besuche abstatteten. In ihren gutgeschnittenen Röcken und Spitzenkrawatten, mit ihren langgliedrigen, juwelengeschmückten weißen Händen, verlangten und erwarteten sie alles, was sie begehr- ten, und richteten während der paar Tage, an denen sie ihre Landgü- ter besuchten, beträchtlichen Schaden an. Sie mißbrauchten ihre an- gestammten Rechte, indem sie ihre Pächter einschüchterten und de- ren Töchter verführten. Vom Zimmermädchen bis zur Kuhmagd - kein hübsches Gesicht war vor ihrer Begierde sicher.
    Und jetzt war sie, Elysia Demarice, Tochter aristokratischer El- tern, zutiefst gedemütigt und mußte, geduckt wie ein verängstigtes Tier, um ihr Leben fürchten. Sie mußte die Schmach ertragen, von übermütigen jungen Londoner Adligen verfolgt zu werden, die nur ihre fleischlichen Gelüste befriedigen wollten. Stünde sie noch un- ter dem Schutz ihres Vaters, würde niemand wagen, sich ihr zu nä- hern; sie war ihnen nach Rang und Stellung ebenbürtig. Schönheit war eine Belastung, wenn man nicht den Schutz der Familie genoß.

Aber eine viel größere Gemeinheit, überlegte Elysia, war die Heimtücke ihrer Tante. Sie hatte sie hierher, an die nördliche Grenze ihres Besitzes geschickt, obwohl sie wußte, daß der junge Lord Tanner mit einer Gruppe seiner verrufenen Freunde auf Be- such war. Der Gedanke, daß sie ihm über den Weg laufen könnte, während sie harmlos nach Eicheln suchte, war wahrscheinlich in Tante Agathas Hinterkopf herumgekrochen wie ein Wurm in ei- nem faulen Apfel.
    Tante Agatha schien ein sadistisches Vergnügen daran zu finden, sie in die unterste Schicht der menschlichen Existenz hinabzudrük- ken. Welche Sünde hatte sie begangen? Welche Götter hatte sie er- zürnt, um ein solches Schicksal zu verdienen? überlegte Elysia ver- zweifelt. Wenn sie nur die Uhr zurückdrehen und die glücklicheren Tage wieder heraufbeschwören könnte. Die glücklicheren Zeiten, die Unschuld ihrer Kindheit - das waren die Dinge, von denen sie träumte.
    Elysia verlangsamte ihre Schritte. Sie fühlte sich sicher, als sie an einer Wiese mit weidenden Schafen vorbeiging, ohne die Disteln und den Schlamm zu beachten, die an ihrem Rocksaum klebten. Sie schritt den steinigen Pfad hinunter, gedankenverloren, ohne die dunklen Wolken zu sehen, die sich im Norden sammelten, oder zu fühlen, wie der Wind immer stärker wurde und an den farbigen Herbstblättern auf den Bäumen zerrte.
    Der Wind peitschte die Haare, die ihr Gesicht umrahmten, wild durcheinander und brachte Farbe in ihre blassen Wangen. Elysia zog ihr Tuch enger um die Schultern, weil die wachsende Kälte durch ihr dünnes Wollkleid drang.
    Leichtfüßig wie eine Katze sprang sie auf die nassen und schlüpf- rigen Steine, die im rauschenden Bach lagen, und landete sicher auf dem gegenüberliegenden Ufer. Sie blickte auf ein großes Haus, das in einiger Entfernung stand. Ein kleiner Hain stämmiger Eichen entzog es teilweise ihren Blicken, aber sie kannte die unfreundlichen

Umrisse ganz genau. Sie kannte jeden häßlichen grauen Stein in sei- nen Mauern, jedes geschlossene Fenster und jede verschlossene Tür - sie alle waren in ihrer Gehirnrinde eingegraben.
    Elysia wäre nur zu gern weitergegangen, vorbei an dem alten Haus, hätte es links liegengelassen, ohne es eines Blickes zu würdi- gen, aber sie konnte es nicht. Sie wohnte seit dem Tod ihrer Eltern in Graystone Manor, dem Haus ihrer Tante.
    Wie anders war ihr Leben damals, vor diesem schicksalsschweren Tag! Niemals würde sie das Bild vergessen, als der elegante neue Wagen ihres Vaters in einer scharfen Kurve nahe am Haus aus dem Gleichgewicht geriet. Die wildgewordenen Pferde rasten die Straße hinunter und zogen den umgestürzten Wagen, unter dem ihre hilf- losen Eltern begraben waren, hinter sich her.
    Ihr Tod hatte Elysia allein auf der Welt zurückgelassen. Ohne Vormund war es ihr unmöglich, die Angelegenheiten des Besitzes zu ordnen, während eine Horde von Rechtsanwälten und Kaufleu- ten wie Geier,
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