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Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)

Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)

Titel: Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
Autoren: Klaus Plüg
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rechtzeitig, vorm reinbeißen zu entdecken und sich dadurch den Verzehr zu ersparen, oder aber, die Brötchen, im guten Glauben, es sei alles in Ordnung, mitsamt dem Dreck zu verzehren?
    Die Gäste am hinteren Tisch, in der beinahe als gemütlich zu bezeichnenden Ecke, winkten ihm überraschend zu und boten ihm überaus freundlich an, er möge seinen Kaffee doch bei ihnen am Tisch trinken. Noch während er sich höflich für die Einladung bedankte, rückten sie zusammen, und zwar so weit, dass er genügend Platz für seinen Becher hatte, und so wie alle anderen, noch die Ellenbogen auf dem Tisch unterbringen konnte. Wenn in einem so sparsam bemessenen Steh-Café, wo sowieso schon jeder Tisch mehr oder weniger belegt ist, ein Platz angeboten wird, sollte man zugreifen, oder seinen Kaffe in den eigenen vier Wänden trinken.
    Ihrem Äußeren nach, waren die meisten der Gäste wohl tatsächlich Handwerker, wie die alte Dame schon vermutet hatte.
    Der ziemlich mitgenommene alte Haudegen, der direkt neben Henry stand, war bestimmt schon in den Siebzigern. Trotzdem wollte er sich noch nicht von seiner geliebten Zimmermannshose trennen. Denn, wer nicht arbeitet, wird wahrscheinlich von niemand mehr ernst genommen und sucht nach jeder Form von Anerkennung. Wer keine Arbeitskleidung trägt, zählt entweder zu den Arbeitslosen oder Rentnern.
    Da beide nicht in den Verdacht geraten möchten, ihr Dasein nur noch als unerträglicher Ballast für die Besitzenden zu fristen, schmücken sie  sich mit allem, was irgendwie nach einer bezahlten Beschäftigung aussehen könnte.
    Ob es nun der Blaumann ist, ein weißes Hemd und Krawatte unterm Anzug, oder, wie bei dem älteren Herrn, die Zimmermannshose mit dem für jeden gut sichtbaren Zollstock, ist vollkommen egal - es muss nur irgendwie wichtig und nach Arbeit aussehen.  
    Henry fand seine These durch einen Gast am Nebentisch, an dem offensichtlich niemand Interesse zeigte, sogleich bestätigt. Der sah zumindest auf den ersten Blick nicht nach Arbeit aus. Völlig teilnahmslos stand er in der Ecke und lehnte total in sich gekehrt an der Wand, gerade so, als könnte ihn die ganze Welt mal gewaltig am Arsch vorbeigehen.
    Wahrscheinlich hat ihm ein guter Grund zu dieser Einstellung verholfen. „Ich tippe auf ein durchgebranntes Weibsbild“, dachte Henry.
    Und dennoch - trotz seiner depressiven Ausstrahlung sprach etwas für ihn – seine adrette äußere Erscheinung zum Beispiel. Seine Kleidung war zwar nichtssagend, aber sehr adrett, ja, geradezu penibel gepflegt. Und noch etwas anderes sprach für ihn, dass er sich nämlich in einem Café aufhielt, anstatt in irgendeiner finsteren Kneipe, oder mit den Alkoholikern am Kiosk rumzuhängen.
    Wenn man das aber außer Acht ließ, wirkte er irgendwie leer, unbelebt, wie von Gott und der Welt verlassen.
    „Bei dem hat wohl jemand die Festplatte gelöscht“, dachte Henry hinter ihm her, als sich der junge Mann, ohne sich zu verabschieden, scheinbar geistesabwesend aus dem Café trollte.
    Die Inhaber riefen noch im Duett, „bis Morgen, Robert“, aber Robert zeigte keinerlei Reaktion.
    Ganz offensichtlich war er aber durchaus auch den Gästen bekannt, denn einer von ihnen bemerkte, „der Robert hat sich in letzter Zeit ja ganz böse verändert.“
    „Viel gesprochen hatte er ja noch nie“, ergänzte ein anderer, „aber jetzt ist mit dem überhaupt nichts mehr anzufangen. Möglich, dass er irgendwelche Sorgen hat, wenn er nicht darüber redet, kann man ihm auch nicht helfen“.
    Damit war das Thema auch schon wieder vom Tisch.
    Mit den Sorgen anderer Menschen befasst man sich bekanntlich nicht gern. Jeder hat schließlich selbst genug am Hals. Kollektiven Egoismus nannte Henry die neue Form einer Menschlichkeit, die in seinen Augen nicht mehr als solche bezeichnet werden dürfte. Wer selbst dick und fett ist, äußert sich, wenn überhaupt, nur noch verständnislos und verächtlich über die zahllosen hungernden Menschen, als würden sie aus Faulheit verhungern wollen.
    Er kramte in der Jackentasche nach dem vertrauten, kleinen Päckchen, nach dem es ihn seit einiger Zeit, nicht nur am Tag, sondern auch schon in der Nacht verlangte. Beruhigend schlossen sich seine Finger um die Glimmstängel. Nun wollte er endlich wie gewohnt seinen Kaffee trinken und dazu gemütlich eine Zigarette rauchen. Da er aber nirgends einen Aschenbecher sah, fragte er danach. Kopfschüttelnd erklärte Helga ihm: „Hier darf aus hygienischen Gründen nicht
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