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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht
Autoren: Dave Duncan
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Beherrschung und hatte einmal sogar einen angreifenden Bullen allein durch Worte zur Umkehr bewogen. Er weigerte sich jedoch, diese Macht bei Menschen einzusetzen, weil er das für unethisch hielt. In der Dunkelheit konnte er wie eine Fledermaus sehen, und er hätte vielleicht auch andere Talente entwickelt, hätte er jemals die nötige Ausbildung erhalten. Wenige Minuten des Gesprächs mit Corbin, und er hätte eine ziemlich klare Vorstellung dessen bekommen, was ihnen hier auf Norcaster bevorstand. Der abscheuliche Silas Fage hatte es verhindert.
    Dann warf sie einen Blick auf Maddy an ihrer Seite und verspürte wieder Zuversicht. Maddy sah sich, so weit sie konnte, mit großen Augen um. Auf alle, die sie nicht so gut kannten wie ihre Mutter, musste sie ziemlich unbesorgt wirken. Staubig, windzerzaust und in zwangloser, unpassender Kleidung, war sie nach wie vor eine Schönheit. Sie war hochgewachsen und hielt sich trotzdem so, dass sie anmutig erschien. Schönheit war, wie Talent, sowohl ein Aktivposten als auch eine Gefahr. Maddy spürte die Aufmerksamkeit ihrer Mutter und sah sich um. Ein Auge zuckte in einem Blinzeln, und Agnes stieg ein Kloß in die Kehle. Maddy war kein Kind mehr, aber sie war nach wie vor zu jung, um zu begreifen, wie schlecht die Welt sein konnte.
    Osborn, Graf Uptree von Norcaster, erhob sich, um seine Gäste zu begrüßen. Er war ein schwer gebauter Mann von etwa sechzig, der sich gut gehalten hatte und dessen Bart ergraut war. Sein Lächeln war unecht, und die Falten waren Anzeichen dafür, dass er eher daran gewöhnt war, ein finsteres Gesicht zu zeigen. Kleidung und Schmuck waren ebenso aufdringlich wie sein Haus; er trug Seidenstrümpfe, Kniehose und eine Weste aus silbernem und scharlachfarbenem Brokat; dazu ein sauberes gerüschtes Hemd sowie einen Hut mit einer Fischadlerfeder. Er strahlte Macht aus wie die Sonne ihr Licht.
    Fage stellte nacheinander die Woodbridges vor. Der Graf nahm Edgars tiefe Verneigung mit einem großmütigen Nicken zur Kenntnis, Agnes’ Knicks mit einem weiteren und Maddys mit einem anerkennenden anzüglichen Blick. Dann wandte er sich an Fage. »Sei bedankt, Pater.«
    Der Priester hatte eindeutig erwartet, dableiben und die Szene genießen zu können. Wie schockiert er über diese nonchalante Entlassung auch sein mochte, er zog sich rasch zurück, vollführte einen Segen und verschwand. Das war der erste gute Augenblick in Agnes’ Tag.
    »Amtsvogt Woodbridge«, sagte der Graf. »Seid willkommen! Es ist zu lange her, dass Ihr unsere Hallen mit Eurer Anwesenheit beglückt habt, Nachbar.« Agnes wusste genau, dass Edgar nicht einmal in den vierundzwanzig Jahren ihrer Ehe nach Norcaster eingeladen worden war. »Bruder, darf ich vorstellen …«
    Der andere Mann war älter. Dieses Paradoxon hatte Pater Fage Agnes in aller Ausführlichkeit auf dem Ritt hierher erläutert. Normalerweise erbte der älteste Sohn den Titel, ja, aber nicht, wenn er den Eid des Priesters auf den Zölibat abgelegt hatte. Also war Hierarch Uptree gut und gern zehn Jahre älter als der Graf, und sein Stuhl hatte schon eine ziemliche Ähnlichkeit mit einem Thron, vergoldet und auf einer erhöhten Plattform stehend.
    Garrett Uptree war lang und hager. Sein Bart war schneeweiß und seine Haut von einer gelehrten Blässe; er sah mit untergründiger, ungerührter Selbstgewissheit unter seinen schweren Lidernhinaus auf die Welt. Weste und Kniehose waren aus goldenem Tuch, der kunstvoll verzierte Hut ebenfalls aus Gold und seine Soutane himmelblau. Das Sonnenzeichen auf seiner Brust hatte sechzehn Strahlen. Als ihm Edgars Name genannt wurde, streckte er die rechte Hand aus und ließ sich den bernsteingelben Sonnenring küssen. Er hielt ihn so tief, dass Edgar sich weit vornüberbeugen musste. Agnes und Maddy wurde lediglich eine Geste des Segens gewährt.
    Agnes misstraute diesem arroganten Blick. Der Lehrer hatte alle Talente als böse Magie verdammt. Trotzdem kursierten viele Geschichten, dass Söhne der Sonne begabt waren, auch wenn es niemand zugab. Dass die Gebete einiger Männer öfter erhört wurden als die anderer, war die offizielle Ausrede. Magie war böse, aber Wunder waren gut, und ein paar dieser Wunder wären gewiss eine Hilfe beim Aufstieg eines Mannes auf der klerikalen Leiter. Mehrere der gegenwärtigen Hierarchen wurden verdächtigt, Talent zu haben, und Garrett Uptree mochte einer davon sein.
    Der Graf setzte sich und ließ die Besucher stehen. Mittlerweile fehlte nicht
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