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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien
Autoren: Rudygard Kipling
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verbissenste Hagestolz besser nicht hätte wünschen können. Keine Rasse, so sagen die, die es wissen müssen, bringt so gute Gattinnen und Hausfrauen hervor, wie die burmesische. Als das nächste Detachement, auf dem Kriegspfad wandelnd, anmarschiert kam, fand der kommandierende Subalternoffizier an Georgie Porgies Tafel eine Hausfrau, der man in jeder Hinsicht wie einer Dame von Rang mit Ehrerbietung begegnen mußte; und als er am nächsten Tage in aller Frühe seine Leute zusammenrief, um ins Dschungel einzudringen, dachte er im Scheiden sehnsuchtsvoll an das kleine hübsche Diner zurück und an das liebliche Gesichtchen und beneidete aus tiefstem Herzen seinen Gastgeber. War er doch selber in der Heimat verlobt mit einem Mädchen – und das stimmt ein Männerherz gar weich.
    Der Name der kleinen Burmesin klang nicht besonders hübsch; Georgie Porgie christianisierte ihn deshalb bald in: Georgina. Ihr zärtliches Wesen und die Behaglichkeit im Hause paßten ihm und er sagte sich, daß er seine fünfhundert Rupien gar nicht besser hätte anlegen können.
    Nach drei Monaten eines erfreulichen Zusammenlebens kam ihm eines Tages die Idee, eine wirkliche Ehe – eine englische nämlich – müsse eigentlich etwas sehr Hübsches sein. Wenn er sich hier, im Hinterlande der Welt, schon behaglich fühlte mit diesem Burmesenmädchen, das ostindische Zigarren rauchte, wie erst mit einem süßen englischen Girl, das keine Knüppel rauchte, und Piano spielte statt Banjo! Er sehnte sich ein wenig zurück nach Menschen seiner Rasse, wollte wieder einmal eine Musikkapelle hören und einen Gesellschaftsanzug tragen. Wahrhaftig ja: eine Ehe dieser Art mußte etwas Herrliches sein. Beständig dachte er daran an den langen Abenden, während Georgina ihm vorsang, ihn bisweilen fragend, warum er so schweigsam sei und ob sie ihn vielleicht verletzt oder gekränkt hätte. Beim Nachdenken rauchte er und beim Rauchen blickte er Georgina an und malte sich aus, es säße nicht sie da, sondern ein blondes, häusliches, unterhaltendes, fröhliches, kleines englisches Mädel, das Haar tief in die Stirn gekämmt und – vielleicht – eine Zigarette zwischen den Lippen. Nur, um Himmelswillen, keine von den großen, dicken Burma-Cheeruts, die Georgina rauchte! Ein Mädchen wollte er heiraten, das Georginas Augen hatte und ihr auch sonst glich. Nur nicht in jeder Hinsicht; etwas Besseres mußte es sein. Er blies dicke Rauchwolken durch die Nase und streckte die Beine aus: ja, er wollte die Ehe kosten! Dank Georginas Umsicht hatte er sich Geld zurücklegen können und außerdem hatte er sechs Monate Urlaub gut.
    »Schau mal, kleine Frau«, sagte er, »wir müssen im kommenden Vierteljahr noch mehr sparen; ich brauche Geld.« Das war eine Anspielung auf Georginas Haushaltskasse, auf die sie sehr stolz war; aber, natürlich, wenn ihr Gott Geld brauchte, mußte alles herhalten.
    »Du brauchst Geld?« rief sie und lachte fröhlich. »Oh, ich habe Geld! Da schau!« Und sie lief in ihr Zimmer, holte einen kleinen Beutel Rupien, schüttete die Münzen auf dem Tische aus und schob sie ihm zu mit ihren zarten, flinken, blaßgelben Fingern. »Schau! Hundert und sieben Rupien. Ich hab sie zusammengespart von dem, was du mir gegeben hast. Nimm sie. Oder brauchst du noch mehr? Es ist mir eine Freude, sie dir zu geben.«
    Nie mehr ermahnte Georgie Porgie sie von da an zur Sparsamkeit.
    Drei Monate später, nach einem Hin- und Herschreiben von Briefen, die Georgina haßte, weil sie ihren Inhalt nicht lesen und verstehen konnte, eröffnete ihr Georgie Porgie, daß sie in ihres Vaters Haus zurückkehren müsse, da er zu verreisen gedenke.
    Georgina weinte und wollte ihren Gott begleiten von einem Ende der Welt bis zum andern. Warum sie ihn denn verlassen solle? Sie liebe ihn so sehr!
    »Ich gehe nur nach Rangun«, erklärte Georgie Porgie. »In einem Monat bin ich wieder zurück, aber es ist sicherer, du bist bei deinem Vater. Ich werde dir zweihundert Rupien dalassen.«
    »Wenn du nur einen Monat wegbleibst, wozu dann zweihundert? Fünfzig sind mehr als genug. Das bedeutet Unheil! Geh nicht, oder nimm mich mit!«
    Georgie Porgie denkt auch heute noch ungern zurück an die Szene damals. Schließlich wurde er Georgina los, indem er ihr fünfundsiebzig Rupien aufdrängte; mehr wollte sie nicht nehmen. Dann eilte er mittelst Dampfer und Eisenbahn nach Rangun.
    Der geheimnisvolle Briefwechsel hatte ihm einen Urlaub von sechs Monaten eingetragen. Seine heimliche
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