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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter
Autoren: David Luckett
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zusammenfügten. Die dumpfen Schläge, die ich hinter mir hörte, kamen von der Tür, die in ihren Scharnieren schwang. Stimmen riefen und schrien durcheinander, überrascht, zornig und fragend. Und ich sah eine Blutlache nahe der Tür, wo das Schicksal die Priorin ereilt hatte.
    Die blinde Wut wich von mir, und ich sank besinnungslos auf den von Knochensplittern übersäten Boden.

KAPITEL 16
    Der Regen hatte aufgehört, die Blätter bewegten sich in der warmen Brise, sodass die Sonnenkringel am Boden tanzten. Ich ging auf einem Pfad unter den Bäumen am Bach dahin zu einer niedri gen, halb überwachsenen Mauer. Als ich sie er reicht hatte, lehnte ich an den alten Steinen und lauschte der leisen, klaren Stimme des Wassers, das zwischen den gelb leuchtenden Sumpfdotterblumen gluckste. Vögel zwitscherten und huschten zwischen den Ästen. Vor mir stieg der Hoch wald den sanften Hang hinab zu den trägen Schleifen eines Flusses, der zwischen den Wiesen ein grünes Tal durchströmte. Noch weiter ragten Berge blau im Dunst der Ferne. Der Pfad lockte mich, und ich folgte ihm neben der niedrigen Mauer.
    Sie saß am Ufer des Baches, wo die Mauer endete, ließ die Zehen ins Wasser hängen, ein Land mädchen in einem verblichenen Kleid aus grobem Leinen. Ich nickte, als sie aufblickte und mir zu lächelte. Und dann sah ich ihre Augen und wuss te, und ich zog die Mütze vom Kopf und trat zurück und ließ mich auf ein Knie nieder.
    Sie stand auf, verließ den Bach und stützte mir gegenüber die Ellbogen auf die Mauer.
    »Nein«, sagte sie. »Eines Tages wirst du über diese Mauer steigen, aber noch nicht, Will. Du hast andere Aufgaben, und viel für mich zu tun. Ich wollte, dass du meinen Garten siehst und weißt, dass er hier ist und auf dich wartet, aber jetzt führt dein Weg zurück.« Sie winkte mir, mich zu erheben. »Ich danke dir. Und Barbara dankt dir auch.«
    Sie machte kehrt und schritt über die Wiese in den Wald. Ich sah ihr nach, bis sie außer Sicht kam. Und dann seufzte ich und kehrte den Weg zurück, den ich gekommen war.
    Es war ein anderes Gesicht, das sich über mich beugte. Ich lächelte, die Heilkundige lächelte, Silvus stand über mir, und dann sank ich wieder in Schlaf. Irgendwo waren Schmerz und Hitze. Ich trieb auf ihren Strömungen, kam öfter an die Oberfläche und tauchte seltener in die Kühle und den Frieden ein.
    Weißes Licht kam und ging, kam und ging. Aber ich wusste, wo ich war. Ich war schon hier gewesen. Eine steinerne Zelle. Der Orden, gesegnet sei er. Ich schlief wieder ein.
    Am ersten Tag im Mai zügelten wir die Pferde auf dem Rücken des Höhenzuges, wo unsere Begleitung umkeh ren sollte. Meine Rüstung, auf das Maultier hinter mir ge schnallt, war noch zu schwer für mich, aber ich konnte meine Hand wieder gebrauchen. Die anderen ritten in voller Rüstung, die Schwestern voraus, obwohl es kaum eine Notwendigkeit dafür gab.
    Auch in diesen höheren Lagen war die Frühjahrsbestel lung der Felder größtenteils abgeschlossen; die gepflügten und geeggten Äcker dufteten nach Leben und Wärme. Lerchen trillerten über ihnen, und ein lebendiger grüner Schimmer lag über den Feldern. Ich beobachtete einen Bauern, der mit ruhigem Schritt hinter dem von zwei Och sen gezogenen Pflug ging. Es war gut, die süße Luft zu armen, und meine Rippen schmerzten jetzt kaum noch.
    »Ich bin froh, dass es vorbei ist.« Silvus schien aufrichtig erleichtert.
    »Es ist noch nicht vorbei. Nicht einmal für uns. Für ihn fängt es gerade an«, sagte ich, den Blick auf dem pflügen den Bauern gerichtet und Silvus folgte meinem Blick und nickte.
    Auch die Vorreiterin, Priorin Hrudis vom Orden der Siegesgöttin, nickte weise und ernst, wie es sich für sie geziemte. Sie wendete ihr Pferd und ließ es im Schritt zurückgehen, bis es neben meinem stand. Sie – nach Ys gewandt; ich – die Straße hinauf zu den Bergen. Ich streckte meine Hand aus, aber sie nahm sie nicht, zog statt dessen den Panzerhandschuh aus und legte ihre Hand, die mit dem silbernen Ring, auf meinen Unterarm. Dann beugte sie sich aus dem Sattel, legte den Kopf auf eine Seite und küsste mich sanft – einmal. Dann richtete sie sich auf, nickte sich selbst zu, schnalzte ihrem Pferd und ritt im Trab die Straße hinunter. Sie blickte nicht zurück. Wenn das halbe Dutzend Schwestern ihrer Eskorte sich etwas dabei dachte, sagten sie nichts, und ihre Gesichter verrieten noch weniger. Auch ich ließ mir nichts anmerken, als sie
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